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Nov
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Archivarisches ...

Im lou-salome-Archiv gekramt und gefunden:

Istrien-2008-475-
jbs
pula 2oooacht


„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“
Franz Kafka

Philippe Claudel, Jahrgang 1962, ist ein französischer Schriftsteller. 2006 erschien von ihm das Buch „ Monsieur Linh und die Gabe der Hoffnung“ im Rowohlt Verlag.

Zuerst ist man verwirrt, da „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ von Eric Emmanuell Schmitt längst Eingang in unseren Kopf bekommen hat - und nun ein fast gleicher Buchtitel?
Im Original heißt der Roman von Philippe Claudel „ La petite fille de Monsieur Linh“ ( „Die Enkeltochter des Monsieur Linh“).
Es liegt nahe, dass aus verkaufstaktischen Gründen der französische Buchtitel nicht für den deutschen Buchmarkt übernommen wurde.

Die Geschichte erzählt von einem Greis aus asiatischem Raum, der mit seiner erst ein paar Wochen alten Enkelin als Flüchtling nach Frankreich kommt. Völlig geruchlos empfindet er diese Welt, in der er sich zurecht finden muss, weil er für seine kleine Enkelin aus der zerbombten Heimat geflohen ist.
Schon nach drei Seiten ( auf Seite 10 des Buches) erahnt der Leser, auf was er sich emotional einlassen wird:

„ Der alte Mann ist losgelaufen. Außer Atem ist er beim Reisfeld angekommen, von dem nur noch ein riesiges, mit plätscherndem Wasser gefülltes Loch übrig war, und am Rand des Kraters lag der aufgerissene Kadaver eines Büffels. Sein Joch war zerknickt worden wie ein Strohhalm. Dort fand er auch die Leichname seines Sohnes und dessen Frau sowie, ein paar Schritte weiter, die Kleine, mit weit aufgerissenen Augen, in Windeln gewickelt, unversehrt, und neben ihr eine Puppe, ihre Puppe, so groß wie sie selbst, der eine Explosion den Kopf abgerissen hatte. Das kleine Mädchen war zehn Tage alt. Ihre Eltern hatten sie Sang diû genannt, was in der Sprache ihres Heimatlandes >> süßer Morgen << bedeutet.“

Monsieur Linh fühlt sich leer, einsam und entwurzelt. Nur die Gegenwart seiner Enkelin und die damit verbundene Aufgabe, ihr jeden Tag einen neuen Morgen zu zeigen, hält ihn am Leben.
Nach anfänglicher Zurückgezogenheit inmitten seiner Leidensgenossen in einem Flüchtlingsheim, fasst er Mut und geht auf die Straße zum Spazieren gehen. Immer mit Sang diû auf dem Arm.
So vergehen viele Wochen im gleichen Trott, Monsieur Linh lernt „seine“ Straße immer besser kennen, aber die Einsamkeit, trotz Enkelin, bleibt. Gegenwärtige Alltagsbilder, die er bei seinen Spaziergängen beobachtet, vermischen sich mit Erinnerungen aus seiner Heimat.

„ Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, drängen sich zahllose Familien am Eingang des Parks, andere kommen heraus. Die beiden bunten, lärmenden Ströme fließen ineinander und bilden große Strudel wie jene, die man in der Regenzeit im Fluss der Schmerzen unweit des Dorfes sieht.
Der Fluss heißt so, weil der Legende nach ...“ Seite 45.


Und dann kommt der Tag, der das Leben von Monsieur Linh erneut verändern wird. Er lernt Monsieur Bark kennen. Einen großen kräftig gebauten Franzosen, der von Statur her das Gegenteil vom klapperdürren Linh ist. Während Bark eine Zigarette nach der anderen raucht, erzählt er Monsieur Linh vom Tod seiner Frau, vom Leben ohne sie und ohne Kinder, von seinem Einsatz als Soldat in (wahrscheinlich) Indochina und die damit verbundenen Greueltaten. Monsieur Linh versteht nicht ein Wort der fremden Sprache, aber er spürt die Wärme, die von der anfangs noch unbekannten Person ausgeht. Und so entwickelt sich eine intensive Freundschaft zwischen den beiden Männern, die auch nicht aufhört, als Monsieur Linh von den Behörden abgeholt wird und in ein am Stadtrand gelegenes Altenheim gesteckt wird.

Von dort versucht Monsieur Linh auszubrechen, was ihm aber erst nach einem missglücktem Versuch gelingt.
Die Erzählung läuft am Ende auf ihren Höhepunkt zu, in dem der Greis mit seiner Enkelin auf der verzweifelten Suche nach seinem Freund Bark durch die riesige Stadt irrt, ihn zum Schluß dann tatsächlich auf der Straßenseite endeckt, auf der ihre gemeinsame Bank steht, die ihnen wochenlang als Treffpunkt gedient hatte.
Philippe Claudel lässt seine Erzählung mit einer gelungenen Schlußpointe enden.


Man könnte meinen, manche der vorangegangenen Rezensenten haben nicht ganz Unrecht, wenn sie in ihrer Kritik die manchmal kitschig anmutenden Szenen erwähnen. Leider kann ich zu wenig französisch, ich hätte das Büchlein nämlich dann in der Sprache gelesen, in der es entstanden ist. Ich bin mir sicher, dass die Übersetzung nicht ganz glücklich verlaufen ist und somit könnte tatsächlich obig beschriebener Eindruck erweckt werden.
Aber Beschreibung von Krieg und Massakern kann nie kitschig sein, nur aufs Äußerste tragisch.
Länder-oder Städtenamen werden übrigens nie genannt und doch wird dem genauen Leser das Massaker von My Lai vom 16. März 1968 vor Augen geführt.

Philipp Claudel's Sprache ist einfach und klar. Aber auch raffiniert. Eindrücklich erzählt er von einem im Herzen zutiefst verletzten Menschen, der nach schlimmsten Kriegserlebnissen entwurzelt wird und trotzdem die Hoffnung nicht verliert, weil ihm die Sorge um das Enkelkind Grund gibt, weiterzuleben.
Mit den >>Großen Gefühlen, wie Tod und Trauer, Verzweifelung, aber auch Fürsorge, Freundschaft und Liebe<< beschreibt Claudel die Großvaterrolle und die Freundschaft zwei alter Männer.

Claudel's kleines literarisches Werk gehört in die Reihe von Alessandro Barrico's „Seide“ und „Novecento“ sowie Eric Emmanuell Schmitt's „Die Dame in Rosa“ und „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“.

Wenn sich der Verlag für eine andere Umschlaggestaltung entschieden hätte, dann wäre alles rund gewesen.
jbs 2010


Das letzte Zitat ist aus:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/532796/
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"Vielleicht war vor den Lippen schon das Flüstern da und ohne Bäume tanzte schon das Laub."Ossip Emiljewitsch Mandelstam

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