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25
Nov
2012

I-M-R und "Und viele Grüße von Murphy"

Weihnachten-2008-146
SB 2oooacht

Abtauchen in andere Sphären, in Musikrichtungen, weit ab vom Mainstream. Das gelingt einem ziemlich gut mit der Band I-M-R. Oder auch (einst allein ... ) "In my Rosary". Lyrisch gehaltvoller Textinhalt begleitet einen während des akustischem Ohrenschmauß. Und wer noch nicht genug gehört hat, kann hier meinen Text lesen, in dem eine kleine Hommage an I-M-R hinter-unterlegt ist.

Aber erst den Link zur Band I-M-R ... :
http://www.poponaut.de/rosary-letters-from-paper-garden-p-11301.html

Und "Poor Little Lovesong" ...: http://www.youtube.com/watch?v=DCVOTEipbrs sowie
"Mirage" ... : http://www.youtube.com/watch?v=46jMWBimb8Y

Mein Eigentext von 2ooozehn mit einer kleinen Hommage an In my Rosary!



Und viele Grüße von Murphy
von janette bürkle 2010

„Whatever can go wrong, will go wrong“
Edward A. Murphy, jr.

Aus dem offenen Wagenfenster nicken mir die Palmwedel zu, geradeso, als wenn auch sie zum Abschied winken wollten. Ich drehe mich ein letztes Mal zum Haus um. Wie immer steht Frau Schröder an ihrem Fenster, lugt hinter halb vorgezogener Gardine zu mir auf die Straße herunter und hebt die Hand. Eigentlich will ich gar nicht reagieren, weil ich ihre neugierige Art nicht mag. Wie oft hatte sie durch den Türspion geblinzelt, wenn Nick mich besuchen kam. Man konnte das am Schatten hinter dem Guckloch erkennen. Nichts entgeht ihr, sie weiß von allen alles hier im Haus. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich ziehe weg. Zu Nick, nach Füssen. In die Berge.

Ich hab' sie, trällerte er mir vor einer Woche ins Handy. Meine Ohrmuschel wurde vor Aufregung ganz heiß.
Ja, wirklich? Ganz echt und wirklich? Ich wollte es nochmal hören und drückte mir das Telephon viel zu fest an den Kopf. In mir drehte sich alles vor Freude.
Ja, es ist wahr. Pack' deine Sachen und komm. Nur abholen kann ich dich nicht. Beruf. Job. Du weißt! Aber die zweihundertvierzig Kilometer wirst du auch alleine schaffen, oder?
Klar, kein Problem. Bezieh die Betten, koch schon mal Kaffee, am Montag bin ich da.
Nick lachte, es war fast ein glucksen.
Na, jetzt komm erst mal rüber und dann - , den Rest sprach er nicht aus, brauchte er auch nicht.

Langsam hebe ich meinen Arm, ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht und dann winke ich endlich Frau Schröder zu. Sie winkt zurück, so als wenn ich heute abend wiederkommen würde. Komme ich aber nicht und sie weiß es nicht.
Ein kleiner Triumph für mich, denn ich habe es geschafft, meinen Auszug aus dem Appartement hinter ihrem Rücken zu bewerkstelligen.

Man erwacht, geht auf die Straße und überlebt. Das macht fröhlich. So oder so ähnlich hatte es Max Frisch gesagt, einer meiner angesagtesten Schriftsteller in der letzten Zeit. Und genauso fühle ich mich heute.
Ich lasse die Wagentür kräftig zufallen, merke nicht, wie ich die Palmblätter einklemme und starte
den Wagen. Ihr hilfloses flattern im Fahrtwind nehme ich nicht wahr, so sehr ziehen mich meine
Gedanken zu Nick.

Wer steht da am Straßenrand? Ein Tramper? Soll ich den mitnehmen? Platz hätte ich ja noch hier
vorne und die Fahrt zu zweit wäre kurzweiliger. Allerdings habe ich noch nie einen Tramper mitgenommen. Ach was soll's, irgendwann ist immer das erste Mal.

Steig ein, rufe ich ihm zu.

Er läuft auf das Auto zu, in der rechten Hand seinen Rucksack und in der linken ein Pappschild, auf dem groß 'Füssen/Reutte' steht. Mit Schwung lässt er sich auf den Beifahrersitz fallen, klemmt sein Gepäck und das Plakat neben Pflanze und Bücherkiste auf die Rückbank und meint: Glück!
Glück? Ich sehe ihn fragend an.

Ja, Glück, meint er, ich stehe erst seit zehn Minuten in der Kälte. Der Wind pfeift ganz schön. Sein Mund öffnet sich. Ich fixiere seine gelblichen Zähne und eine große Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen, er grinst ununterbrochen und stellt sich mir vor: Robert. Mein Name ist Robert, aber jeder nennt mich Rob. Also, einfach für dich nur Rob auf dieser Fahrt.

Dann zieht er eine Packung Zigarillos aus der Tiefe seiner Jackentasche. Seine andere Hand klopft die Hose ab, er sucht eindeutig Streichhölzer.

Und wie ist dein Name? will er von mir wissen.

Inken. Inken Zinkewitz. Übrigens, im Auto nicht rauchen. Ich vertrage das nicht.

Robert zündet sich sein Zigarillo an, ganz langsam, mit Genuß. Ich kann das trotz Weiterfahrt aus den Augenwinkeln beobachten. Meinen Einwand ignoriert er einfach.

So, Inken, Inken Zinkewitz. Einen Zinken - hat Inken - im Gesicht – nein, kein Witz.
Er hustet, er lacht und verschluckt sich. Öffnet das Fenster, spuckt kräftig hinaus, um danach erneut einen langen Zug zu nehmen. Dann verschliesst er es wieder. Mir wird schlecht. Jetzt öffne ich angewidert mein Fenster. Dabei befreie ich unbemerkt die Palmenblätter.

„In my Rosary“ schiebe ich in den CD-Schacht meines Autoradios, vielleicht lenkt mich Musik ab. Kalter Februarwind bläst den Tabakrauch und die Elektroschwingungen von Synthesizer und Gitarre durch die Luft auf den Mittelstreifen. Gerade als die E-Gitarre zu „Mirage“ zupft, schaltet sich der Verkehrsfunk automatisch dazu:
Wegen eines Unfalls zwischen Ulm-Elchingen und Nersingen hat sich ein Stau von mehreren Kilometern gebildet. Wir empfehlen ihnen, rechtzeitig eine Umleitung zu nutzen.
Sachliche Radiodurchsage. Danach haben die Gitarren wieder Oberhand.

Der Stau löst sich bestimmt nach kurzer Zeit auf. Robert bläst seine Backen auf und entlässt kleine Rauchringe in die Luft. Ich fange an, es zu bereuen, diesen Menschen mitgenommen zu haben. Aber rauswerfen kann ich ihn auch nicht auf der Autobahn.

Da musst du jetzt durch, sage ich mir, es sind ja nur noch hundertdreißig Kilometer. Wenn nur der Stau nicht wäre.

Und schon muss ich einen Gang runter schalten, dann noch einen und jetzt ist Weiterfahren nicht
mehr möglich. Robert steigt ohne Erklärung aus, seine Sachen lässt er zurück und ich sehe, wie er Richtung Straßenrand verschwindet. Ein ohrenbetäubendes Hupkonzert hinter und neben mir fordert mich auf, unverzüglich weiterzufahren. Der Stau löst sich auf. Zwischen den rechts fahrenden Lastwagen sehe ich Robert am Straßenrand demonstrativ Richtung Felder blicken. Seine Haltung ist eindeutig. Ein harter Wasserstrahl beweist den Druck, den er verspürt haben musste. Mein rechter Fuß zittert über dem Gaspedal, ich würde ja zu gerne, aber sein Gepäck, das hält mich von meinem Vorhaben ab. Ich muss das Hupen aushalten. Langsam drehe ich meinen Kopf und erschrecke masslos. Ein fleischige Dogge hechelt mir durch das geöffnete Fenster ins Gesicht. Das Riesenkalb sitzt auf dem Beifahrersitz eines Volvos, der die ganze Zeit hinter mir fuhr und jetzt langsam überholt, da ich kein Gas gebe. Bellend teilt das Kalb mir seinen Ärger mit, weil ich blitzschnell die Scheibe hochkurbele, und dann sabbert mir der Köter auch noch gegen das Fensterglas. Eine mehrfach beringte Männerhand streichelt über den Kopf dieses Tieres und ich höre noch, wie er sagt: Brav, Sugar-Baby, nur ruhig, meine Süße, meine Kleine. Seine mir zugewandten Blicke sprechen Bände und rechts neben mir öffnet sich die Beifahrertür, Robert ist wieder da, bloß weiterfahren.

Sag ich doch, höre ich ihn neben mir pfeifen, der Stau löst sich schon auf.

In mir kocht es, der Siedepunkt ist erreicht. „In my Rosary“ spielt jetzt „Poor Little Love Song“, eines meiner Lieblingslieder, aber das bewirkt keine Besserung meiner Stimmung.

Die Autoschlange zieht sich etwas auseinander, nur schneller fahren geht immer noch nicht, irgendwo weiter vorn muss ein Langsamfahrer sein.

Robert, ich will nochmals versuchen, ihm meine Aversion gegen das Rauchen im Auto zu erklären und schaue ihn an. Der Wagen rollt so langsam hinter einem bunten Smart her, dass ich kurz die Straße aus den Augen lassen kann. Robert, ich -

Stop, brüllt er plötzlich, stop! stop! stop!

Ich setze den Befehl sofort um, aber es ist schon zu spät. Ohrenbetäubender Krach füllt den kleinen Raum um mich herum. Stoßstange sitzt auf Stoßstange.

Und nun? ich sehe Robert fragend an. Der ist ausgestiegen, die Smartfahrerin vor uns auch schon. Ich bleibe wie angeklebt sitzen. Es dauert keine fünf Minuten und Robert teilt mir mit, dass es zum Glück keinen Schaden gegeben hätte, auch wenn der Lärm schrecklich war. Und er würde jetzt im Smart weiterfahren. Er packt seine Siebensachen und ist weg. Richtig weg.

Nur langsam Gas geben, ich habe mich von dem Schrecken und der letzten halben Stunde noch nicht erholt, aber nur weg hier. Und die Fahrt bis nach Füssen hat nach eineinhalb Stunden endlich ohne Vorfälle und Staumeldungen ein Ende.

Direkt vor unserer neuen Wohnung finde ich auf Anhieb einen Parkplatz. Seitliches Einparken war noch nie meine Stärke, aber nach dieser Fahrt wird mir das gelingen. Mit meinen Sachen brauche ich dann nur über den Gehsteig und schon bin ich im Haus.
Ein jetzt schon bekannter hässlicher Lärm füllt erneut den Innenraum des Wagens. Ich steige aus. Was für ein Malheur. Die Stoßstange meines Wagens ist diesmal beim Aufprall auf einen Laternenpfahl abgefallen und spangenlos grinst mir die Kühlerhaube entgegen.

So ein verdammter Scheiß! Scheiße! Scheiße! Scheiße! fluche ich und trete kräftig gegen den Reifen.

Wie mit schwarzer Schuhwichse verziert, zieht sich ein Streifen über meine neuen hellen Wildlederstiefel. Ich will nur noch ins Haus, in die Dachwohnung zu Nick. Mit der Palme unter dem Arm steige ich drei Stockwerke hoch. Fahrstuhl defekt, das Schild war nicht zu übersehen.

Endlich bin ich vor meiner, nein unserer, neuen Wohnungstür. Wie freundlich alles aussieht. Der Zettel an der Tür ist für mich gedacht. Herzlich willkommen steht darauf. Und Kaffeeduft zieht durch die Ritzen. So habe ich es mir gewünscht. Ich stelle die Palme ab, ziehe das Papier vom Holz und entdecke auf der Rückseite eine Nachricht.

Hi, Inken. Muss nochmal ins Büro wegen der Landesausstellung, mach es dir schon mal gemütlich, bin gleich zurück. Nick.

Na, toll, und jetzt? In meiner Hosentasche fingere ich nach dem Haustürschlüssel. Nur da ist nichts. Nein, das darf jetzt nicht wahr sein. Wo habe ich den Schlüssel?

Ein mir bekanntes Kettengeräusch hält mich kurz von der Suche ab, ich drehe mich um. Ich sehe eine viel zu große karierte Schürze vor mir, in der ein kleines Wesen steckt, das mindestens achtzig Jahre alt sein muss. Die Sicherheitskette ihres Türschlosses in der Hand taxiert sie mich.

Sie müssen meine neue Nachbarin sein und einen Schlüssel haben sie anscheinend noch nicht. Möchten sie bei mir warten und einen Kaffee trinken?

Ich denke an die zurückgelassene Frau Schröder. Ich denke an Nick, der wie immer tausend andere Sachen im Kopf hat.
Mit einem Aufseufzen folge ich dem Duft vieler gerösteter Kaffeebohnen und der alten Nachbarin. Schröder, stellt sie sich bei mir vor, mein Name ist Schröder. Und wie heißen sie?

Murphy, denke ich mir, und ich heiße Murphy.

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"Vielleicht war vor den Lippen schon das Flüstern da und ohne Bäume tanzte schon das Laub."Ossip Emiljewitsch Mandelstam

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