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LLLL

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Gedichte

21
Feb
2010

Versuche es ...

Wolfgang Borchert (1921 - 1947)

Stell Dich mitten in den Regen,
glaube an den Tropfensegen,
spinn Dich in dies Rauschen ein
und versuche, gut zu sein!

Stell Dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind -
laß den Sturm in Dich hinein
und versuche, gut zu sein!

Stell Dich mitten in das Feuer -
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein
und versuche, gut zu sein!

~~~~~~

Budapest-10-09-058
jbs

20
Feb
2010

Wir Lebenden spüren den Boden nicht mehr

Wir Lebenden spüren den Boden nicht mehr,
Wir reden, dass uns auf zehn Schritt keiner hört,

Doch wo wir noch Sprechen vernehmen, -
Betrifft`s den Gebirgler im Kreml.

Seine Finger sind dick und, wie Würmer, so fett,
Und Zentnergewichte wiegts Wort, das er fällt,

Sein Schnauzbart lacht Fühler von Schaben,
Der Stiefelknecht glänzt so erhaben.

Schmalnackige Führerbrut geht bei ihm um,
Mit dienstbaren Halbmenschen spielt er herum,

Die pfeifen, miaun oder jammern.
Er allein schlägt den Takt mit dem Hammer.

Befehle zertrampeln mit Hufeisenschlag:
In den Leib, in die Stirn, in die Augen, - ins Grab.

Wie Himbeeren schmeckt ihm das Töten -
Und breit schwillt die Brust des Osseten.

Ossip Mandelstam
1934

Dieses Gedicht bezieht sich deutlichst auf Stalin und seinen Terror, für Mandelstam führte dies zur ersten Verhaftung.

Ich lese gerade "Das Stalin-Epigramm" von R. Littell und mag seinen Schreibstil überhaupt nicht. Aber ich werde mich durchbeißen.

Nachtrag 28.02.2010:
Ein oft "schwatzendes" Buch ( kann ich überhaupt nicht leiden).
Russische Geschichte nimmt man mit; Litell hat viel recherchiert, jedoch ist seine Perspektive viel zu weit weg von diesem Zeitgeschehen.
Interessanter Artikel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13489189.html
Nächste Lektüre nach diesem Buch: Nadeschda Mandelstam " Das Jahr der Wölfe" und "Generation ohne Tränen"

Nachtrag 04.03.2010:
Bin mit dem Thema Mandelstam immer noch nicht fertig. Habe gerade zwei interessante Artikel gefunden:
Ein Dichter unter Wölfen - Nadeshda Mandelstams Requiem für ihren Mann
aus: Die Zeit, 02.04.1971 Nr. 14
http://www.zeit.de/1971/14/Ein-Dichter-unter-Woelfen?page=all

http://www.uni-due.de/imperia/md/content/germanistik/mauerschau/mauerschau_2_ossip_mandelstam.pdf

15
Feb
2010

Heinrich Heine - Die Libelle

Es tanzt die schöne Libelle
Wohl auf des Baches Welle;
Sie tanzt daher, sie tanzt dahin,
Die schimmernde, flimmernde Gauklerin.
Gar mancher junge Käfertor
Bewundert ihr Kleid von blauem Flor,
Bewundert des Leibchens Emaille
Und auch die schlanke Taille.

Gar mancher junge Käfertor
Sein bißchen Käferverstand verlor;
Die Buhlen sumsen von Lieb und Treu,
Versprechen Holland und Brabant dabei.

Die schöne Libelle lacht und spricht:
»Holland und Brabant brauch ich nicht,
Doch sputet Euch, Ihr Freier,
Und holt mir ein Fünkchen Feuer.

Die Köchin kam in Wochen,
Muß selbst mein Süpplein kochen;
Die Kohlen des Herdes erloschen sind -
Holt mir ein Fünkchen Feuer geschwind.«

Kaum hat die Falsche gesprochen das Wort,
Die Käfer flatterten eilig fort.
Sie suchen Feuer, und lassen bald
Weit hinter sich den Heimatwald.

Sie sehen Kerzenlicht, ich glaube
In einer erleuchteten Gartenlaube;
Und die Verliebten, mit blindem Mut
Stürzen sie sich in die Kerzenglut.

Knisternd verzehrten die Flammen der Kerzen
Die Käfer und ihre liebenden Herzen;
Die einen büßten das Leben ein,
Die andern nur die Flügelein.

O wehe dem Käfer, welchem verbrannt
Die Flügel sind! Im fremden Land
Muß er wie ein Wurm am Boden kriechen,
Mit feuchten Insekten, die häßlich riechen.

Die schlechte Gesellschaft, hört man ihn klagen,
Ist im Exil die schlimmste der Plagen.
Wir müssen verkehren mit einer Schar
Von Ungeziefer, von Wanzen sogar,

Die uns behandeln als Kameraden,
Weil wir im selben Schmutze waten -
Drob klagte schon der Schüler Virgils,
Der Dichter der Hölle und des Exils.

Ich denke mit Gram an die bessere Zeit,
Wo ich mit beflügelter Herrlichkeit
Im Heimatäther gegaukelt,
Auf Sonnenblumen geschaukelt,

Aus Rosenkelchen Nahrung sog
Und vornehm war, und Umgang pflog
Mit Schmetterlingen von adligem Sinn,
Und mit der Zikade, der Künstlerin -

Jetzt sind meine armen Flügel verbrannt;
Ich kann nicht zurück ins Vaterland,
Ich bin ein Wurm, und ich verrecke
Und ich verfaule im fremden Drecke.

O, daß ich nie gesehen hätt
Die Wasserfliege, die blaue Kokett
Mit ihrer feinen Taille -
Die schöne, falsche Kanaille!

30
Jan
2010

Leben ist ein Hauch nur

Eine lyrische Miniatur über die Vergänglichkeit:

Leben ist ein Hauch nur -
ein verhallnder Sang -
ein entwallnder Rauch nur: -
Und wir sind das auch nur! -
Und es währt nicht lang.

Friedrich Baron de la Motte Fouqué, nach 1810

Korsika-1-125
jbs

28
Jan
2010

Die Harfenjule

von Klabund

Emsig dreht sich meine Spule, immer zur Musik bereit, denn ich bin die Harfenjule, schon seit meiner Kinderzeit.

Niemand schlägt wie ich die Saiten, niemand hat wie ich Gewalt. Selbst die wilden Tiere schreiten sanft wie Lämmer durch den Wald.

Und ich schlage meine Harfe, wo und wie es immer sei, zum Familienbedarfe, Kindertauf’ oder Rauferei.

Reich mir einer eine Halbe oder einen Groschen nur, als des Sommers letzte Schwalbe schwebte ich durch die Natur.

Und so dreht sich meine Spule, tief im Innersten bewegt, bis die alte Harfenjule einst im Himmel Harfe schlägt.

(aus: Die Harfenjule, 1927)

24
Jan
2010

Das Geld, das auf der Straße liegt

Der gefundene Groschen

Istrien-2008-485-

Ich mach mich vor dem Groschen klein
und nehm ihn in die Hand.
Ach, wär es doch ein Zehnmarkschein!
Geld hat keinen Verstand.

Es leben Leute, die werfen ihr Geld,
sagt man, zum Fenster hinaus.
Ich wüßte gern, wohin es fällt,
und blicke vor jedes Haus.

Das Geld, das aus den Fenstern fliegt,
wer weiß, wohin's gerät!
Das Geld, das auf der Straße liegt,
ist ziemlich dünn gesät.

Ich bücke mich, so tief ich kann.
Mein Kind, mir ist dabei,
als bete ich den Groschen an.
Deine Eltern sind arm. Verzeih!

Erich Kästner

19
Jan
2010

Lyrik, Lyrik

Ultental-Suedtirol-088
jbs

Adelbert von Chamisso

Frisch gesungen

Hab' oft im Kreise der Lieben
Im duftigen Grase geruht
Und mir ein Liedlein gesungen,
Und alles war hübsch und gut.

Hab' einsam auch mich gehärmet
In bangem, düsterem Mut
Und habe wieder gesungen
Und alles war wieder gut.

Und manches, was ich erfahren,
Verkocht' ich in stiller Wut.
Und kam ich wieder zu singen,
War alles auch wieder gut.

Sollst nicht uns lange klagen,
Was alles dir wehe tut,
Nur frisch, nur frisch gesungen!
Und alles wird wieder gut.

1829

Oskar Pastior ( 1927 – 2006 )

Der Wortjongleur hat um 1990 eine schöne Miniatur entstehen lassen

Abrakadabra, nachmals

abrakadabra, nachmals,
tartar, nachmals kandahar-
kardan (als das paar am dach
als haarschwamm kam) nachmals spar-
sarg,nachmals makadamma-
dam, nachmals kamtschatka (als
das anagramm banal war)

1992

Das Anagramm ist eine systematische Vertauschung und Neugruppierung von Buchstaben eines bestimmten Wortes.

15
Jan
2010

Aton-Hymnus

Korsika-3-173
jbs

Der Sonnengesang Echnatons

Enstehungszeit etwa 1345 v.u.Z.
Die erste Zeile nennt den Titel Atons, Echnatons und Nofretete. Der Hymnus beginnt mit: Er (Echnaton) sagt:

Schön erscheinst du
im Horizonte des Himmels,
du lebendige Sonne,
die das Leben bestimmt!
Du bist aufgegangen im Osthorizont
und hast jedes Land mit deiner Schönheit erfüllt.
Schön bist du, groß und strahlend,
hoch über allem Land.

Deine Strahlen umfassen die Länder
bis ans Ende von allem, was du geschaffen hast.
Du bist Re, wenn du ihre Grenzen erreichst
und sie niederbeugst für deinen geliebten Sohn.
Fern bist du, doch deine Strahlen sind auf Erden;
du bist in ihrem Angesicht, doch unerforschlich ist dein Lauf.

Gehst du unter im Westhorizont,
so ist die Welt in Finsternis,
in der Verfassung des Todes.
Die Schläfer sind in der Kammer,
verhüllten Hauptes, kein Auge sieht das andere.
Raubt man alle ihre Habe, die unter ihren Köpfen ist -
sie merken es nicht.
Jedes Raubtier ist aus seiner Höhle gekommen,
und alle Schlangen beißen.
Die Finsternis ist ein Grab,
die Erde liegt erstarrt,
ist doch ihr Schöpfer untergegangen in seinem Horizont.

Am Morgen aber bist du aufgegangen im Horizont
und du leuchtest als Sonne am Tage;
du vertreibst die Finsternis und schenkst deine Strahlen.
Die Beiden Länder sind täglich im Fest,
die Menschen sind erwacht
und stehen auf den Füßen, du hast sie aufgerichtet.
Rein ist ihr Leib, sie haben Kleider angelegt,
und ihre Arme sind in Anbetung bei deinem Erscheinen,
das ganze Land tut seine Arbeit.

Alles Vieh ist zufrieden mit seinem Kraut,
Bäume und Kräuter grünen.
Die Vögel sind aus ihren Nestern aufgeflogen,
ihre Schwingen preisen den Ka.
Alles Wild hüpft auf den Füßen,
alles, was fliegt und flattert, lebt,
wenn du für sie aufgegangen bist.
Die Lastschiffe fahren stromab
und wieder stromauf,
jeder Weg ist offen durch dein Erscheinen.
Die Fische im Strom springen vor deinem Angesicht,
deine Strahlen sind im Innern des Meeres.

Der du den Samen sich entwickeln lässt in den Frauen,
der du Wasser zu Menschen machst,
der du den Sohn am Leben erhältst im Leib seiner Mutter
und ihn beruhigst, so dass seine Tränen versiegen -
du Amme im Mutterleib! -
der du Atem spendest,
um alle Geschöpfe am Leben zu erhalten.
Kommt (das Kind) aus dem Mutterleib heraus,
um zu atmen am Tag seiner Geburt,
dann öffnest du seinen Mund vollkommen
und sorgst für seine Bedürfnisse.

Das Küken im Ei,
das schon in der Schale redet -
du gibst ihm Luft darinnen, um es zu beleben.
Du hast ihm seine Frist gesetzt,
(die Schale) zu zerbrechen im Ei;
es geht hervor aus dem Ei,
um zu sprechen zu seiner Frist,
es läuft schon auf den Füßen, wenn es herausgekommt aus ihm.

Wie zahlreich sind deine Werke,
die dem Angesicht verborgen sind,
du einziger Gott, dessengleichen nicht ist!
Du hast die Erde geschaffen nach deinem Wunsch, ganz allein,
mit Menschen, Vieh und allem Getier,
mit allem, was auf der Erde ist,
was auf den Füßen umherläuft
und allem, was in der Höhe ist und mit seinem Flügeln fliegt.

Die Fremdländer von Syrien und Nubien,
dazu das Land Ägypten -
jeden stellst du an seinen Platz und sorgst für seine Bedürfnisse,
ein jeder hat seine Nahrung, seine Lebenszeit ist bestimmt.
Die Zungen sind verschieden im Reden,
ebenso ihre Wesenszüge;
ihre Hautfarbe ist verschieden, denn du unterscheidest die Völker.

Du schaffst den Nil in der Unterwelt
und bringst ihn herauf nach deinem Willen,
die Menschen am Leben zu erhalten, da du sie geschaffen hast.
Du bist ihrer aller Herr, der sich abmüht an ihnen,
der Herr aller Lande, der für sie aufgeht,
du Sonne des Tages, gewaltig an Hoheit!
Selbst alle fernen Fremdländer erhältst du am Leben,
hast du doch einen Nil an den Himmel gesetzt,
dass er zu ihnen herabkomme
und Wellen schlage auf den Bergen, wie das Meer,
um ihre Felder zu befeuchten mit dem, was sie brauchen.
Wie wirksam sind deine Pläne, du Herr der Ewigkeit!
Den Nil am Himmel, den gibst du den Fremdvölkern
und allem Wild der Wüste, das auf Füßen läuft;
aber der wahre Nil kommt aus der Unterwelt nach Ägypten.

Deine Strahlen säugen alle Felder -
wenn du aufgehst, leben sie und wachsen für dich.
Du schaffst die Jahreszeiten, um alle deine Geschöpfe sich entwickeln zu lassen -
den Winter, um sie zu kühlen,
die Sommerglut, damit sie dich spüren.
Du hast den Himmel fern gemacht, um an ihm aufzugehen
und alles zu schauen, was du geschaffen hast.

Einzig bist du, wenn du aufgegangen bist,
in all deinen Erscheinungsformen als lebendiger Aton,
der erscheint und erglänzt,
sich entfernt und sich nähert;
du schaffst Millionen von Gestalten aus dir allein -
Städte Dörfer und Äcker,
Wege und Strom.
Alle Augen sehen sich dir gegenüber,
wenn du als Sonne des Tages über dem Land bist.

Wenn du gegangen bist, dein Auge nicht mehr da ist,
das du um ihretwillen geschaffen hast -
auch dann bleibst du in meinem Herzen,
und kein anderer ist, der dich kennt,
außer deinem Sohne Nefercheprure Uanre,
den du dein Wesen und deine Macht erkennen lässt.

Die Welt entsteht auf deinen Wink, wie du sie geschaffen hast.
Bist du aufgegangen, so leben sie,
gehst du unter, so sterben sie;
du bist die Lebenszeit selbst, man lebt durch dich.
Die Augen ruhen auf deine Schönheit, bist du untergehst,
alle Arbeit wird niedergelegt, wenn du untergehst im Westen.
Der Aufgehende stärkt alle Arme für den König,
und Eile ist in jedem Fuß.

Seit du die Welt gegründet hast, erhebst du sie
für deinen Sohn, der aus deinem Leib hervorgegangen ist,
den König Beider Ägypten, Nefercheprure Uanre,
den Sohn des Re, der von Maat lebt,
den Herrn der Diademe, Echnaton, groß in seiner Lebenszeit,
und die Große Königsgemahlin, die er liebt,
die Herrin Beider Länder, Nofretete,
die lebendig und verjüngt ist
für immer und ewig.

Aus dem Felsengrab von Eje

13
Nov
2009

Hindukusch 1839 -2009

Beim Rückzug der Engländer aus Kabul 1842 verloren in der Khurd-Kabul-Schlucht in der Nähe von Kabul zwischen 12000 – 16500 Menschen ihr Leben ( darunter ca. 4500 britisch-indische Soldaten). vgl. Anglo-Afghanische Kriege
Heute ( 2009 ) stellt die U.S.A. mit 34 800 Soldaten vor Groß Britannien mit 9000 Soldaten das größte Kontingent der Nato-ISAF-Truppen. Deutschland liegt an dritter Stelle mit 4365 Soldaten.( Truppenkontingente der ISAF nach truppenstellenden Nationen Stand: 22.10.2009 ). Leider habe ich keine aktuelle Zahl der heute insgesamt schon getöteten Menschen durch den Krieg in Afghanistan gefunden.
Dafür eine ( ganz aktuelle ) Ballade zur Tragödie am Hindukusch
( wurde erstmals 1860 in der Literaturzeitschrift Argos veröffentlicht):

Das Trauerspiel von Afghanistan
Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
»Wer da!« – »Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan.«

Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

»Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.«

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all',
Sir Robert sprach: »Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So laßt sie's hören, daß wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!«

Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.

Theodor Fontane ( ca. 1842 entstanden)

Habe heute morgen den Zeitungsartikel ( aus: Stuttgarter Nachrichten) : „Das zweite Leben“ des ehemaligen Bundeswehrsoldaten Stefan Deuschl gelesen. Fontanes Gedicht war sofort präsent.

Nachgeschoben:

Trauerfeier für gefallene deutsche Soldaten in Afghanistan am 9. April 2010

http://www.tagesschau.de/inland/trauerfeier122.html
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lou salome

"Vielleicht war vor den Lippen schon das Flüstern da und ohne Bäume tanzte schon das Laub."Ossip Emiljewitsch Mandelstam

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