Im Untergrundverlag „Édition de Minuit“
erschien 1942 von Jean Bruller alias „Vercors“ das Buch „ Das Schweigen des Meeres“.
Ich hatte es vor Jahren gelesen. Es gehört zu den Büchern, die ich gerne wieder lese, öfters. Nachdem ich ein Interview mit Günter Safranski über Nietzsche auf youtube angehört hatte, es ging auch über Sprache, da kam mir das Buch in Erinnerung.
Lesenswerte Zeilen, in denen nur der Protagonist spricht, seine beiden unfreiwilligen französischen Gastleute reden während des Aufenthalts des deutschen Offiziers ( = Protagonist) nicht ein Wort mit ihm – einen ganzen Winter lang nicht.
Der Offizier ist Komponist und ein Liebhaber von schöngeistigen Dingen. Am Anfang der Erzählung erzählt er stolz seinen stummen Gastgebern von den deutschen Ideen, Deutschland und Frankreich zu „vermählen“, zwei Länder mit unglaublicher Geschichte.
S.25: „... . Einmal sagte er ( es war in der ersten Zeit seiner Besuche):
>> Worin liegt der Unterschied zwischen einem Feuer bei mir zu Hause und diesem hier? Gewiß, das Holz, das Feuer, der Kamin sind ähnlich. Aber nicht das Licht. Es hängt von den Dingen ab, die es beleuchtet – von den Bewohnern dieses Rauchzimmers, von den Möbeln, den Wänden, den Büchern in den Regalen...<<
>> Warum liebe ich diesen Raum so sehr?<< fragte er nachdenklich. >> Besonders schön ist er nicht – verzeihen Sie!...<< Er lachte: >> Ich meine,, es ist kein Museumsraum ... Von ihren Möbeln wird man nicht sagen: das sind hier Prinkstücke ... Nein ... Aber dieser Raum hat eine Seele. Dieses ganze Haus hat eine Seele.<<
Er stand vor den Büchrreihen der Bibliothek. Zärtlich strichen seine Finger über die Einbände.
>> ... Balzac, Barrès, Baudelaire, Beaumarchais, Boileau, Buffon ... Chateaubriand, Corneille, Descartes, Fénelon, Flaubert ... La Fontaine, France, Gautier, Hugo ... Welch eine Aufzählung!<< sagte er mit leichtem Lachen und nickte mit dem Kopf. >> Und ich bin erst beim Buchstaben H!... Weder Molière noch Rabelais, noch Racine, noch Pascal, noch Stendhal, noch Voltaire, noch Montaigne, noch all die anderen!...<< Er strich weiter langsam die Buchrücken entlang und ließ von Zeit zu Zeit ein kaum hörbares >> Ha!<< entschlüpfen, wenn er, wie ich ( Anmerkung: Der unfreiwillige Gastgeber ist die erzählende Person) vermute, auf einen Namen stieß, an den er nicht gedacht hatte. >> Bei den Engländern<<, fuhr er fort, >> da denkt man gleich: Shakespeare. Bei den Italienern: Dante. In Spanien: Cervantes. Und bei uns sofort: Goethe. Dann muss man überlegen. Doch wenn man sagt: Und Frankreich? Wer fällt einem da zuerst ein? Molière? Racine? Hugo? Voltaire? Rabelais? Oder wer sonst? Sie drängen sich wie eine Menschentraube vor dem Eingang eines Theaters, und man weiß nicht, wen man zuerst einlassen soll.<<
Er drehte sich um und sagte ernst: >> Doch in der Musik liegen wir vorn: Bach, Händel, Beethoven, Wagner, Mozart ... mit wem beginnen?<<
>> Und wir haben uns bekriegt!<< sagte er langsam und schüttelte den Kopf. Er kehrte zum kamin zurück, und seine lächelnden Augen richteten sich auf das Profil meiner Nichte. >> Aber dies ist das letztemal! Wir werden uns nicht mehr bekämpfen: Wir werden heiraten!<< In seinen Augenwinkeln erschienen Fältchen, auf den schmalen Wangen unter den Backenknochen zeichneten sich lange Grübchen ab, die weißen Zähne kamen zum Vorschein. Heiter sagte er: >> Ja! Ja!<< Ein kleines Kopfnicken bekräftigte seine Worte.“
In diesem Abschnitt der Erzählung geht eine Verwandlung in dem Offizier vor, die er zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht so ganz zu verspüren mag. Im weiteren Verlauf seines Aufenthalts wird ihm die Absurdität des Krieges jedoch sehr deutlich, und als die Zeit des Gehens gekommen war, hatte er eine für sich folgenschwere Entscheidung getroffen.
Das Schweigen in dem Haus wird wie ein dichter Nebel beschrieben. Dicht und reglos. Man möchte die Fenster aufreissen und frische Luft ins Haus lassen.
Link zum Interview von Rüdiger Safranski über den Schauplatz Nietzsche, „Ihr sollt Dichter eures Lebens sein!“:
http://www.youtube.com/watch?v=Nz_ZK38zfN4
Link zum Buch Vercors:
http://www.diogenes.ch/leser/katalog/a-z/s/9783257233155/buch
Ich hatte es vor Jahren gelesen. Es gehört zu den Büchern, die ich gerne wieder lese, öfters. Nachdem ich ein Interview mit Günter Safranski über Nietzsche auf youtube angehört hatte, es ging auch über Sprache, da kam mir das Buch in Erinnerung.
Lesenswerte Zeilen, in denen nur der Protagonist spricht, seine beiden unfreiwilligen französischen Gastleute reden während des Aufenthalts des deutschen Offiziers ( = Protagonist) nicht ein Wort mit ihm – einen ganzen Winter lang nicht.
Der Offizier ist Komponist und ein Liebhaber von schöngeistigen Dingen. Am Anfang der Erzählung erzählt er stolz seinen stummen Gastgebern von den deutschen Ideen, Deutschland und Frankreich zu „vermählen“, zwei Länder mit unglaublicher Geschichte.
S.25: „... . Einmal sagte er ( es war in der ersten Zeit seiner Besuche):
>> Worin liegt der Unterschied zwischen einem Feuer bei mir zu Hause und diesem hier? Gewiß, das Holz, das Feuer, der Kamin sind ähnlich. Aber nicht das Licht. Es hängt von den Dingen ab, die es beleuchtet – von den Bewohnern dieses Rauchzimmers, von den Möbeln, den Wänden, den Büchern in den Regalen...<<
>> Warum liebe ich diesen Raum so sehr?<< fragte er nachdenklich. >> Besonders schön ist er nicht – verzeihen Sie!...<< Er lachte: >> Ich meine,, es ist kein Museumsraum ... Von ihren Möbeln wird man nicht sagen: das sind hier Prinkstücke ... Nein ... Aber dieser Raum hat eine Seele. Dieses ganze Haus hat eine Seele.<<
Er stand vor den Büchrreihen der Bibliothek. Zärtlich strichen seine Finger über die Einbände.
>> ... Balzac, Barrès, Baudelaire, Beaumarchais, Boileau, Buffon ... Chateaubriand, Corneille, Descartes, Fénelon, Flaubert ... La Fontaine, France, Gautier, Hugo ... Welch eine Aufzählung!<< sagte er mit leichtem Lachen und nickte mit dem Kopf. >> Und ich bin erst beim Buchstaben H!... Weder Molière noch Rabelais, noch Racine, noch Pascal, noch Stendhal, noch Voltaire, noch Montaigne, noch all die anderen!...<< Er strich weiter langsam die Buchrücken entlang und ließ von Zeit zu Zeit ein kaum hörbares >> Ha!<< entschlüpfen, wenn er, wie ich ( Anmerkung: Der unfreiwillige Gastgeber ist die erzählende Person) vermute, auf einen Namen stieß, an den er nicht gedacht hatte. >> Bei den Engländern<<, fuhr er fort, >> da denkt man gleich: Shakespeare. Bei den Italienern: Dante. In Spanien: Cervantes. Und bei uns sofort: Goethe. Dann muss man überlegen. Doch wenn man sagt: Und Frankreich? Wer fällt einem da zuerst ein? Molière? Racine? Hugo? Voltaire? Rabelais? Oder wer sonst? Sie drängen sich wie eine Menschentraube vor dem Eingang eines Theaters, und man weiß nicht, wen man zuerst einlassen soll.<<
Er drehte sich um und sagte ernst: >> Doch in der Musik liegen wir vorn: Bach, Händel, Beethoven, Wagner, Mozart ... mit wem beginnen?<<
>> Und wir haben uns bekriegt!<< sagte er langsam und schüttelte den Kopf. Er kehrte zum kamin zurück, und seine lächelnden Augen richteten sich auf das Profil meiner Nichte. >> Aber dies ist das letztemal! Wir werden uns nicht mehr bekämpfen: Wir werden heiraten!<< In seinen Augenwinkeln erschienen Fältchen, auf den schmalen Wangen unter den Backenknochen zeichneten sich lange Grübchen ab, die weißen Zähne kamen zum Vorschein. Heiter sagte er: >> Ja! Ja!<< Ein kleines Kopfnicken bekräftigte seine Worte.“
In diesem Abschnitt der Erzählung geht eine Verwandlung in dem Offizier vor, die er zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht so ganz zu verspüren mag. Im weiteren Verlauf seines Aufenthalts wird ihm die Absurdität des Krieges jedoch sehr deutlich, und als die Zeit des Gehens gekommen war, hatte er eine für sich folgenschwere Entscheidung getroffen.
Das Schweigen in dem Haus wird wie ein dichter Nebel beschrieben. Dicht und reglos. Man möchte die Fenster aufreissen und frische Luft ins Haus lassen.
Link zum Interview von Rüdiger Safranski über den Schauplatz Nietzsche, „Ihr sollt Dichter eures Lebens sein!“:
http://www.youtube.com/watch?v=Nz_ZK38zfN4
Link zum Buch Vercors:
http://www.diogenes.ch/leser/katalog/a-z/s/9783257233155/buch
lou-salome - 9. Mär, 08:47