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In einer erdfernen Welt

„In einer erdfernen Welt“ von Hans Zengeler


„Das Leben ist ein Theaterstück ohne vorherige Probe.
Darum singe, lache, tanze und liebe ...
Und lebe jeden einzelnen Augenblick deines Lebens,
bevor der Vorhang fällt und das Theaterstück ohne Applaus zu Ende geht.“

Charlie Chaplin, 1889 – 1977


Der Schriftsteller Hans Zengeler hat für seinen neuen Roman in Berichtform „In einer erdfernen Welt“ einen Stoff gefunden, der brandaktuell ist und sehr eindringlich die Landschaft der Verzweifelung, die Unsicherheit angesichts des Todes, die Einsamkeit, menschliches Versagen und das Altwerden in einem Alten- und Pflegeheim sichtbar macht.

Und von diesem Lebensstoff muss erzählt werden.
Von der letzten Rolle.
Der letzten Rolle des Schauspielers Moritz Sonderberg, die er sich ganz anders vorgestellt hatte.
Nach einem Schlaganfall und keiner günstigen Prognose findet er sich plötzlich auf einer Demenzstation eines Alten-und Pflegeheimes wieder. Kein Wunder also, wenn er auf Seite 46 feststellt: „Wäre schön, wenn man hier tatsächlich noch eine Rolle spielte, leider sind einem aber bei Eintritt sämtliche Textbücher abgenommen, sie verstehen?“
Und er fängt an, „sich durch die Zeit zu atmen“. Frühlingsdüfte oder die geliebte Bühnenluft muss er „gegen Altersgerüche und den Geruch des Zerfalls“ eintauschen.
Sich nicht unterkriegen lassen, von nichts und niemanden, das wird Sonderbergs Devise.
'Und lebe jeden einzelnen Augenblick deines Lebens' mag hier zynisch wirken, aber Sonderberg, der Sonderberg, wie er immer von Theaterleuten und Presse genannt wurde“, nimmt nach schwerer Anfangszeit seinen Stift und Papier, fängt an zu schreiben. Gerade um Leben zu spüren, dort wo er auf den Tod wartet. Vielleicht wird er das aufgezwungene Leben als Theaterstück verarbeiten und die achtundzwanzig Bewohner und Bewohnerinnen seiner Station übernehmen dabei eine Statistenrolle.

Mit Frau Strittmatter und Herrn Wagenseil, zwei seiner Statisten, skizziert Moritz Sonderberg völlig gegensätzliche Mitbewohner. Herr Wagenseil hat seine Lebenswelt über die Ränder der bekannten Welt verlassen, ist hinaus- und hineingefallen über einen gelben Fleck an der Wand, in ein Jenseitiges, in eine Wirklichkeit, die man nicht zu fassen vermag. Er sitzt tagaus und tagein in seinem Rollstuhl und starrt auf diesen ominösen Fleck.
Die gegensätzliche Rolle übernimmt Frau Strittmatter. Ihre Agitiertheit, Redseligkeit, Streitsüchtigkeit aber auch Schlagfertigkeit, obwohl sie wegen ihrer Demenz oft im Unrecht ist, gibt der Szene eine fast frische Lebendigkeit.
Und immer wieder unternimmt Moritz Sonderberg eine Reise in seine Vergangenheit. Er lässt Bilder Revue passieren und stellt dabei verbittert fest: „ Du hast so gelebt, dass du jetzt allein bist. Im Alter bekommt man die Rechnung präsentiert ...
... Du hast geglaubt, niemanden zu brauchen, niemals. Geschieden, kinderlos, keine ausgesprochenen Freunde, Kollegen ja, aber keine Freunde. Du hast immer für dich und die Bühne gelebt und gedacht, das Ende werde dich hoffentlich auf der selbigen ereilen, mitten im Spiel.“

Erneut nimmt Sonderberg einen Anlauf, um aus dem Pflegeheim in seine Wohnung zurückzukommen. Er schreibt seiner geschiedenen Ehefrau. Er stellt sich vor, wie es sei, wenn er mit ihr im Park spazieren gehen könnte. Und dann würde er sie bitten, ihn mitzunehmen: „Nimm mich mit. Nimm mich um Gottes Willen mit. Egal wohin. Nur weg.“
Ein Hilferuf, ein Schrei, den erneut niemand hört.

Und wieder wird er schreiben, der Schauspieler, um nicht zu fallen, um keine Depressionen zu bekommen.
Beobachten. Festhalten. Messerscharf gestochene Bilder.
Zum Beispiel das Verhalten des Personals gegenüber den Bewohnern. Ihre Zeitnot. Ihren Personalmangel. Ihr Verhalten im Berufsalltag gegenüber den BewohnerInnen.
Oder Erinnerungen an seine Mutter, die ihn, mehr als ihm lieb ist, einholen.
Sein Berufsleben spult sich vor seinem inneren Auge ab und er hat die Zeit, um gewissenhaft zu dokumentieren.

Dann kommt der Tag, an dem sich nochmals alles verändert.
Er lernt die etwas ältere Lisbeth kennen. Während sie im Park strickend auf einer Bank sitzt, erzählt er ihr von seinem Leben als Schauspieler. Lisbeth hört ihm aufmerksam zu, bis sie an der Reihe ist, aus ihrem Leben zu berichten. Diese Treffen erfolgen nun Tag um Tag und bei Sonderberg flackert ein Licht auf. Es ist eine Wärme, die ihm seit Monaten, ja vielleicht seit Jahren gefehlt hat. „ Ich bin sicher: Ich habe mich verliebt. Und ich schäme mich überhaupt nicht, ich genieße es!“„Weil ich nun jeden Tag etwas habe, worauf ich mich freuen kann. Ich stehe morgens auf und weiß, am Nachmittag werde ich Lisbeth treffen.“

Moritz Sonderbergs Sicht auf die Zeit und das Alter hat sich durch Lisbeth plötzlich verändert. Es ist nicht mehr der jugendliche Aufstieg auf einen hohen Berg, sondern eine Höhenlandschaft voller Überraschungen und Wendungen. Und er läuft vor der Verantwortung nicht mehr davon. Trotz seiner Krankheit unternimmt er Zukunftsträume, baut Luftschlösser, um mit Lisbeth eine Wohnung zu suchen, ins Theater zu gehen, zu lesen und zu leben.

Das Buch von Don Quichote und ein von Lisbeth selbst gestrickter Pullover liegen eines Tages in seinen Händen und wieder wird eine Wendung sein Leben verändern.

Dem Autor Hans Zengeler ist etwas ganz Besonderes gelungen. Ungeschönt beschreibt er in einem aussergewöhnlichen Roman die Innen-und Außenwelt eines Mannes, der vor der langsamen Auslöschung seiner Identität steht. Bis an die Grenzen des Erträglichen geht der Schriftsteller mit dieser literarischen Studie.
Technisch benutzt Zengeler die Gestaltungsmittel des Films und des Theaters. Es gibt eine Aufblende, eine Abblende und einen Vorhang, der zum Schluß fällt. Und dazwischen spielt sich das Leben von Moritz Sonderberg ab, das auf den Endpunkt zu läuft.


Jeder altert. Und den allermeisten gefällt das überhaupt nicht. Dieses Buch zeigt auf, dass die Jugend kein Zustand auf Dauer ist. Unser Leben ist endlich. Dieser Gedanke wird zu gern verdrängt.
Tucholsky stellte fest: „Und Junge begreifen nie, dass sie alt werden können.“

Der Roman „In einer erdfernen Welt“ in Berichtform ist nicht nur ein Lesemuss für Menschen, die das Leben als eine fortlaufende Entwicklung erkennen wollen.
Es sollte auch ein absolutes Muss für alle pflegenden Berufe sein, um Sensibilität herauszufordern, die für ein Arbeiten mit alten und kranken Menschen absolut notwenig ist.
Zengeler hat mit Moritz Sonderberg einen unglaublich sympathischen Helden geschaffen. Er gibt ihm eine Stimme, die ergreifend vom Leben in einer Lebensverwahranstalt erzählt und die Würde des Menschen eindringlich verteidigt.

„... Darum singe, lache, tanze und liebe ...
Und lebe jeden einzelnen Augenblick deines Lebens,
bevor der Vorhang fällt und das Theaterstück ohne Applaus zu Ende geht.“

jbs

25.Novemer 2010

aktualisiert 22. Februar 2011

Die kursiv beschriebenen Textstellen sind Zitate aus dem Buch.

Trailer zum Buch " In einer erdfernen Welt"

http://www.youtube.com/watch?v=gtV13ciBxNI

Weitere Rezension vom Autor Immo Sennewald:

http://immediator.wordpress.com/2011/02/08/unheimliche-heime/
Phorkyas - 9. Mär, 23:05

Zwar nicht mit dem Thema Altern, wohl aber mit dem Thema Tod und Verlust sehe ich mich gerade konfrontiert (und ich glaub' da hilft mir die Literatur doch diesmal leider wenig). - Irgendwann muss das ja kommen..

Ich hoffe Dir geht es gut. (Mehr Blogabstinenz täte mir vielleicht auch wieder gut?..)

PS. Nächste Woche treffe ich wahrscheinlich Frau punctum, soll ich vielleicht grüßen?-)

lou-salome - 10. Mär, 00:14

Ja, die Endgültigkeit löst starke Gefühle aus. Und ob während des Prozesses des Abschiednehmens Literatur hilft, wage ich auch zu bezweifeln.

Trauern tut weh ... aber es hilft. Ich wünsche Dir genügend Kraft für die bevorstehende Zeit.

Als meine Schwiegermutter im Januar 2010 starb, hatte ich anfangs den unbändigen Wunsch, lauthals über unser Tal zu schreien. Einfach loslassen, laut, ganz laut. Sie war fast dreißig Jahre lang wie eine leibliche Mutter für mich. Nach und nach übernahm dann eine Ruhe meine aufgewühlten Emotionen und ich empfinde es heute als ein großes Glück, eine so lange Zeit einen wertvollen Menschen gekannt zu haben.

Ja, Phorkyas, mir geht es gut. Arbeitsmäßig habe ich viel, zu viel zu tun, komme nicht mehr so intensiv zum Lesen, wie ich es mir wünsche. Und noja ... :-), ich bin wohl meinem hiesigen "Heimatblog" ziemlich untreu, aber auf Facebook poste ich jeden Tag. Allerdings versuche ich, meine Kommentare so schmal wie möglich zu halten, weil das Internet hier und da ein totaler Zeitfresser ist. Aber ich versuche, hier wieder öfters reinzuschauen.
Übrigens hat sich die Veröffentlichung von Bildern verändert. Mein Speicher ist anscheinend voll und eine Leiste zum Bearbeiten von Texten gibt es auch nicht mehr. Macht die ganze Sache nicht gerade attraktiv.

Frau punctum darfst du liebend gerne grüßen! :-)

Alles alles Gute!!!
Phorkyas - 14. Mär, 13:08

Vielen Dank fuer deine Antwort! (Sie hilft mir schon ein kleines bisschen..)

Ja, dieser Zeitfresser will gefuettert sein.
(Diesmal auch nur als schmaler Kommentar..)

bis bald,
Phorkyas
punctum - 15. Mär, 19:20

Frau punctum grüßt mal schon vorfristig sehr herzlich zurück :-)

lou-salome - 16. Mär, 22:50

Und der lou-salome gefallen die Grüße sehr ... vorfristig, sofort oder nachher. :-)))
Phorkyas - 20. Mär, 14:03

Ey, verdammt, jetzt bin ich ja ganz überflüssig(-: Das ist dann eben die Transparenz des Internets(-; -- dass die Nachricht und das Grußwort ohne den Botschafter schon angekommen ist (das Medium ist die Botschaft, oder so ähnlich und so).
punctum - 20. Mär, 14:50

Oje :-) Aber bitte bedenken Sie auch die Vorteile! Manch Bote wäre weniger ungünstig zu Tode gekommen, hätte er sich des Netzes bedient. Heutzutage schickte der Bote an Leonidas einfach eine Mail mit dem abschließenden Vermerk: Bin erst mal im Urlaub und nicht erreichbar. - was sich durchaus positiv auf seine Lebenserwartung ausgewirkt hätte. So gesehen ...
Bitte grüßen Sie mir Frau lou-salome sehr herzlich :-)
Phorkyas - 20. Mär, 23:53

Auch den Marathonlauf hätt' man sich dann sparen können...

Auf die Grußbitte fällt mir allerdings nichts mehr ein, da haben Sie den Teufel elegant vorgeführt(; Wie soll ich nun das Überbrachte überbringen.. Nun, liebe Frau salome: Herzlichen Rückgrüße von Frau punctum!

(..und schnell mit meinem Matschehirn in den Urlaub..)
lou-salome - 21. Mär, 11:59

@ Phorkyas: Schau immer gut auf den Weg, damit Du das Ziel nicht verpasst ... mit dem Hirn, dem malträtiertem ... :-)) Möchte ja nach Deinem Urlaub wieder etwas von Dir hören. Z.B. Nachgrüße oder Spätergrüße. Ich nehm' sie alle an!
@ punctum: Mir wurde etwas zugetragen. Hab' sie neben meinem Laptop aufgebaut und freue mich jetzt jeden Tag daran und hoffe, dass sie lange halten :-))
Phorkyas - 14. Mai, 19:14

*beep* (sending out an message)
Dann sende ich einfach so mal solche Später-Nach-Grüße.

Tüchtig desorientiert usw., aber ich gebe beim Straße überqueren immer gut acht (immer an Pierre Curie denken!)..

Leider fällt mir nichts ein - das Internet muss mal aus und der Kopf durchlüftet werden.
Gruß,
Phorkyas
lou-salome - 28. Mai, 00:48

**beepbeepbeep** an den Herrn der "Später-Nach-Grüße-Message" :-))
Habe gerade 10 Tage Dolomiten-Bergwandern hinter mir ... ohne Internet ... mein Bildschirm waren die Zwei-und Dreitausender ... Murmeltiere beobachtet, wie sie sich über Schneefelder rollten, tobten, schrill pfiffen und sich trollten ... statt Muskelkater in den Fingern, wegen ständiger Tastaturklickerei ... Muskelkater in den Waden, wegen ständig hangauf-hangabwärts ...
und im Rucksack nicht nur Vesperbrote und Wasser, auch Bücher ... zumindest immer eines ... lesen, fast über den Wolken, das ist etwas ganz besonderes!
Und sollte ich es zeitlich schaffen, da am Montag der olle Alltag wieder beginnt, dann werde ich eine Rezension zu Babels Berg von Immo Sennewald schreiben. Dies war nämlich eines der Bücher, die ich auf über zweitausend gelesen habe ...
Phorkyas ... die Bergluft war prächtig! Würzig! Klar! Hoffentlich hält das eine Weile an!
Dir liebe Jetzt-Sofort-Grüße :-))) lou-salome
Phorkyas - 1. Jun, 21:01

Oh, das lässt mich doch ein wenig neidisch werden. Bisher war ich nur einmal im Gebirge, auch so zwischen 2000 und 3000m unterwegs (auf 2400m gezeltet - einen 1000m Aufstieg ohne Gepäck..).. und hab es sehr genossen, dass ich es bedauere bisher nicht wieder hingekommen zu sein..
Dann wünsche ich, dass ein bisschen von der Bergluft auch noch durch euren Alltag wehe!
lou-salome - 5. Jun, 00:48

Phorkyas ... es hält noch an! Auch wenn die erste Woche nach dem Urlaub einen schnell in die Realität zurückzoomt, aber die Eindrücke haben Tiefenwirkung zurückgelassen! Leider kann ich auf dieser Seite keine Photos mehr hochladen :-((, ich hätte Dir und den anderen gerne eines zur Ansicht gezeigt. Müsst die Haikus wirken lassen ... wir lesenhören uns ... :-))) LG ***___*** ( breit Dich zulachende l-s )
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