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13
Feb
2010

Eine Kettenreaktion

Über das Haiku des japanischen Lyrikers Matsuo Basho ( 1644-1694) bin ich ins zwanzigste Jahrhundert gestolpert. Denn von einem der letzten Hochgebirgstouren unterhalb des Cevedales ist die heutige eingefügte Gräseraufnahme entstanden. Und da ich schon ein „Gräser“-Haiku in meiner Haikuversuchsküche „verkocht“ habe, schmücke ich mich heute mit fremden Federn.
Das im Fokus stehende Wollgras wuchs unterhalb der Zufallhütte im Martelltal, Südtirol, auf ca. 2000 m ü.NN.
( Ich mache einfach mal Werbung :) ): http://www.zufallhuette.com/zufallhuette/index.php

Im heutigen Nationalpark „Stilfser Joch“ in Südtirol fand im 1. Weltkrieg auf den Gletschern des Ortlermassivs ein Stellungskrieg statt, der wegen der extremen Witterungsverhältnisse auf 3900 Meter über Seehöhe vor allem im Winter die Hölle gewesen sein dürfte. Russische Kriegsgefangene mussten bis in diese Höhen auch Kanonen schleppen. Verschiedene Vorposten waren über Stollen im Eis miteinander verbunden, das Tunnelsystem war viele Kilometer lang.
Von Italiens Seite aus war Mussolini ein entscheidener Kriegstreiber, der mit dafür verantwortlich war, dass es auf seiner eigenen Seite über 600.000 Gefallene im Hochgebirge gab.

Ein Autor, der viel zu früh kurz nach dem 2. Weltkrieg starb, war Wolfgang Borchert. Er hatte die traumatischen Kriegserlebnisse in Prosa umgesetzt, u.a. die Erzählung: „Jesus macht nicht mehr mit“. Den Anfang dieser Erzählung habe ich kopiert:

„Jesus macht nicht mehr mit von Wolfgang Borchert
Er lag unbequem in dem flachen Grab. Es war wie immer reichlich kurz geworden, so dass er die Knie krumm machen musste. Er fühlte die eisige Kälte im Rücken. Er fühlte sie wie einen kleinen Tod. Er fand, dass der Himmel sehr weit weg war. So grauenhaft weit weg, dass man gar nicht mehr sagen mochte, er ist gut oder er ist schön. Sein Abstand von der Erde war grauenhaft. All das Blau, das er aufwandte, machte den Abstand nicht geringer. Und die Erde war so unirdisch kalt und störrisch in ihrer eisigen Erstarrung, dass man sehr unbequem in dem viel zu flachen Grab lag. Sollte man das ganze Leben so unbequem liegen? Ach nein, den ganzen Tod hindurch sogar! Das war ja noch viel länger.
Zwei Köpfe erschienen am Himmel über dem Grabrand. Na, passt es, Jesus? fragte der eine Kopf, wobei er einen weißen Nebelballen wie einen Wattebausch aus dem Mund fahren ließ. Jesus stieß aus seinen beiden Nasenlöchern zwei dünne ebenso weiße Nebelsäulen und antwortete: Jawoll. Passt.
Die Köpfe am Himmel verschwanden. Wie Kleckse waren sie plötzlich weggewischt. Spurlos. Nur der Himmel war noch da mit seinem grauenhaften Abstand.
Jesus setzte sich auf und sein Oberkörper ragte etwas aus dem Grab heraus. Von weitem sah es aus, als sei er bis an den Bauch eingegraben. Dann stützte er seinen linken Arm auf die Grabkante und stand auf. Er stand in dem Grab und sah traurig auf seine linke Hand. Beim Aufstehen war der frischgestopfte Handschuh am Mittelfinger wieder aufgerissen. Die rotgefrorene Fingerspitze kam daraus hervor. Jesus sah auf seinen Handschuh und wurde sehr traurig. Er stand in dem viel zu flachen Grab, hauchte einen warmen Nebel gegen seinen entblößten frierenden Finger und sagte leise: Ich mach nicht mehr mit.“
Weiterlesen:
http://www.hist.uni-hannover.de/kulturarchiv/deutschland_nach_1945/ruckblickende-kurzfilme/die-filme-2/jesus-macht-nicht-mehr-mit-2.html

haiku

nur sommergräser
nichts anderes bleibt übrig
vom soldatentraum

basho


Suedtirol-Nr-2-063
jbs
Count Lecrin - 20. Feb, 20:04

Erzählstil

Ich habe mir die Erzählung "Jesus macht nicht mehr mit" komplett durchgelesen und bin irgendwie bewegt von Wolfgang Borcherts Erzählstil. Er schildert das Geschehen irgendwie kaltherzig als auch sensibel zugleich. Einmal möchte ich dem Autor damit Respekt zollen.
Weil Sie nur den etwas unklaren Anfang davon kopiert haben, war ich erst ein wenig verwundert. Aber sei es drum.

Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass ich die Kombination der Erzählung plus des Haikus sehr gut gelungen finde, da sich beide sehr gut ergänzen. Zusammen erzeugen sie eine Atmosphäre, die das Geschehene sowohl anprangert als auch den Gefallenen einen gewissen Respekt zollt.
Ich mag derartig melancholische Atmosphärik und lasse mich davon gerne emotional berühren.

lou-salome - 20. Feb, 21:29

@ count lecrin

Ich freue mich sehr über Ihre Reflektion zum Haiku und der Erzählung. ( Am Ende des eingefügten Textes habe ich einen Link gesetzt, wenn Sie den anklicken, kommen Sie auf die Seite, auf der die Erzählung ganz zu lesen ist).
Und ich gebe Ihnen (fast) Recht; Borcherts Stil ist in meinen Augen sehr distanziert, kaltherzig ist mir zu "kaltherzig". Ich interpretiere das so für mich, dass das Erlebte für ihn unendlich übermächtig war und um irgendwie weiter exisitieren zu können, hat er aus diesem Blickwinkel geschrieben. Für mich ist Borchert ein wunderbarer Autor. Ich habe da sofort noch eine Erzählung parat, die "leichter" geschrieben ist, aber auch unbedingt den Kern trifft: "Schischyphusch".

Und das mit den Haikus ist irgendwie ja eine lustige Sache. Denn bis zum letzten Sommer habe ich mit Haikus überhaupt nichts zu tun gehabt. Und plötzlich ... -,
die Kürze gefällt mir, in der Gefühle ausgedrückt werden können.
Count Lecrin - 21. Feb, 16:46

Erzählstil II

Den Link habe ich schon angeklickt, entschuldigen Sie, dass das aus meinem ersten Kommentar nicht hervorging.

Mit "irgendwie kaltherzig" meine folgende Ausdrucksweise:
"Er [Jesus] kletterte aus dem flachen Grab heraus und ging vier Schritte auf einen dunklen Haufen los. Der Haufen bestand aus toten Menschen. Die waren so verrenkt, als wären sie in einem wüsten Tanz überrascht worden.[...]Aber er legte sie [die Spitzhacke] leise und vorsichtig hin, als wollte er keinen stören oder aufwecken."

Borchert schildert das irgendwie schon beinahe ironisch locker. Er geht in keinster Weise auf das Empfinden der involvierten Personen ein. Doch genau das löst beim Leser ein Gefühl des Schockiertseins aus, denn er kann eine gar so derb groteske Art und Weise, mit derartigen Unmenschlichkeiten umzugehen, nicht oder nur kaum nachvollziehen.

Ich habe mir mal Ansätze zu einer Theorie über derartige Versuche, den Leser zu bewegen, überlegt. Dabei fiel mir auf, dass es beinahe nur zwei Ebenen gibt; einmal kann man maßlos übertreiben und das Geschehene sehr subtil und übersteigert, teils metaphorisch vermitteln oder man schildert es dermaßen sachlich-nüchtern, dass die emotionale Regung beim Leser schon beinahe in die Empörung übergeht. Ich sollte diesen Gedankengang noch einmal weiterführen, es kann vielleicht sogar sein, dass dies nicht nur für die negative Art der emotionalen Tangierung gilt.
lou-salome - 21. Feb, 21:09

@ Count Lecrin

Da haben Sie aber in ein „Wespennest“ bei mir gestochen. Das Interesse an Borchert freut mich ziemlich und auch ich nehme etwas mit, wenn ich einen Teil des Kapitels „Zelle 9“ abschreibe und Ihnen zum Lesen überlasse. Ich füge den Text auf meiner ersten Blogseite ein.

Borchert nimmt den Leser hautnah mit in das Geschehen, das schafft er ausgezeichnet auf der inhaltlichen Ebene. Er benutzt Gefühle, z.B. die Angst vor dem allgegenwärtigem Grauen des Krieges, Ohnmacht, Verlassenheit, Traurigkeit oder über das Stilmittel der Sprache: kurze, knappe Sätze, Wortwiederholungen, Farbsymbolik, Symbolwörter usw..
Ich habe in Erinnerung ( aus der Schulzeit), dass Borcherts Werk zur sog. „Trümmerliteratur“ gehört, aber ich meine, Borchert steht künstlerisch auf wesentlich höherem Podest. Ihm möchte ich die sog. schriftstellerische Transzendenz bescheinigen, die so vielen heutigen Autoren fehlt. Und das macht sein Werk so authentisch und einzigartig.

Ich weiß nicht, inwieweit ich Ihre/Deine Theorie damit untermauere oder überhaupt ihr entgegen komme. Mal sehen.

nachgeschoben: aus diesem Taschenbuch habe ich das Kapitel abgeschrieben
http://cgi.ebay.de/Wolfgang-Borchert-Biografie-rororo-58-Monographie_W0QQitemZ250563047632QQcmdZViewItemQQptZBelletristik?hash=item3a56b8b0d0

Und ein wunderbares Nachwort von Heinrich Böll, 1955, gibt es in dem Buch "Draußen vor der Tür und ausgewählte Erzählungen".
( meines könnte die Ausgabe von 1964 sein, Rohwolt-Verlag)
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"Vielleicht war vor den Lippen schon das Flüstern da und ohne Bäume tanzte schon das Laub."Ossip Emiljewitsch Mandelstam

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