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LLLL

LLLL = Lange Lange Lese Liste


Martin von Arndt
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Martin von Arndt
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Joachim Zelter
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Ich nannte ihn Krawatte


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Gewaltmarsch


Michael Moshe Checinski
Die Uhr meines Vaters


Steve Sem-Sandberg
Die Elenden von Łódź

31
Mrz
2013

Kein Aprilscherz

Ab dem 1. April 2ooodreizehn werde ich, lou salome vom twodayblog, auf wordpress wechseln. Man wird meine neuen Einträge unter http://schriftwechsel.wordpress.com/ finden.

Blogwechsel zu schriftwechsel

Lange habe ich hin und her überlegt, ob ich diesen kleinen Blog, der mir sehr ans Herz gewachsen ist, still legen soll. Jedoch habe ich seit Monaten keine Möglichkeit mehr, neue Bilder hochzuladen, da ich diesen Blog kostenlos nutze. Mein gebührenfreier Speicherplatz ist längst übervoll. Zudem habe ich Aufbruchstimmung, ein neues Design zu gestalten. Inhaltlich wird sich nichts ändern.

Nach dem 1. April werde ich hier noch eine Buchbesprechung veröffentlichen, die auch auf schriftwechsel online gestellt wird.
Anfangs werde ich auf schriftwechsel noch ein wenig basteln müssen, u.a. möchte ich die gesamten Buchbesprechungen/Rezensionen rüber kopieren. Dies wird etwas Zeit brauchen.

Ich möchte mich für jahrelange Blogtreue bedanken ... den stillen Lesern und den Lesern, die mit einem Kommentar meine Seite belebten.

Vielen Dank!

Auf ein Wiedersehen auf #schriftwechsel#!

27
Mrz
2013

unen enkh, tündük, aitmatov und steppentöne

"Und dieses Buch, es ist mein Körper,
Und dieses Wort, es ist meine Seele ..."


„Ja, bitte, noch eine Schale Kumys!“
Kumys ist milchweiß und schmeckt säuerlich, prickelnd, mit mandelartigem Nachgeschmack. Das Nationalgetränk aus vergorener und geräucherter Stutenmilch schmeckt nicht nur mir. Nippend beobachte ich die Jurtensiedlung am Fuß grauer Felsen, die sie sich wie frische Champignonköpfe aus satten grünen Matten hervor schieben.
Leider müssen wir weiter. Kurze Zeit später stapfen wir mit unseren Pferden bergab, winken bunten flatternden Röcken zurück, fixieren unsere Blicke auf den Pfad und dann wieder weit voraus auf den blassblauen Spiegel des Issyk Kul. Der „Heiße See“. Er liegt mitten im Tian Shan, den „Himmelsbergen“ und ist der See, über den der berühmte kirgisische Dichter seinen „Weißen Dampfer“ ziehen ließ. Wir wandern durch Tschingis Aitmatovs Land.
Mehrere tausend Jahre zogen die Kirgisen als Nomaden durch die Berge, begleitet von einer praktischen Unterkunft, die in zwei Stunden auf-und abzubauen ist.
Der Jurte.
Aus einem kreisförmigen Scherengitter, sechs oder sieben Meter im Durchmesser, ragen Stangen schräg hoch zur Mitte und treffen sich im Tündük. Was für eine ausgeklügelte Konstruktion!
Matten aus Federgras sind rundum ans Holz gebunden, dicke Filzbahnen mit Kordeln und Tauen darüber festgezurrt. Teppiche über einer Plastikplane bedecken den Boden, Filzstreifen mit farbenprächtigen Ornamenten schmücken die Wände …

Also, obiger Text ist nach einer Reisebeschreibung entstanden. Ich selbst war noch nie in Kirgisien. Wenn man allerdings Bücher von Tschingis Aitmatov liest, hat man das Gefühl, sich auf weiter kirgisischer Ebene zu befinden. Man reitet unter silberner Mondsichel einer Herde Yaks entgegen, über dem Rücken der Pferde spürt man die federnde Steppe, die Sättel knarren und ächzen und aus der Ferne … still! ... leise! hörst du auch die fernen Töne? Ob das Dschamilja und Danijar sind?

Wunderschön, wild und anmutend sind Aitmatov's Texte. Klage und Sehnsucht spricht aus ihnen heraus. Und im "Ein Tag länger als ein Leben" zitiert Aitmatov Grigor Narekazi, einen Mönch aus dem 10. Jahrhundert:

Und dieses Buch, es ist mein Körper,
Und dieses Wort, es ist meine Seele ... .


Unen Enkh wurde 1958 in der Mongolei geboren. Nach einem Studium für angewandte und Bildende Kunst in Prag und Budapest lebt und arbeitet er seit 1988 als freier Künstler und Illustrator in Deutschland.
Nach öffnen des eingefügten Links bekommt man eine Jurteninstallation des Künstlers zu entdecken:

http://www.museum-biedermann.de/cms/upload/ausstellung/Back_To_The_Roots/Enkh_oT_breit.jpg

und hinter diesem Link verstecken sich weitere Werke des Künstlers:

http://www.enkh.de/#oben

Er war im vorletzten Jahr mit seiner Ausstellung in unserer Stadt. Es war hochinteressant, wie aus der Verarbeitung von Rosshaar, das Biegen von Eisendrähten und das Knoten von Hanfschnüren Installationen entstehen können.

jbs 2ooodreizehn

25
Mrz
2013

Textsplitter-Vabanque

Textsplitter aus:

Vabanque


Es war eine kleine Prozession von Pfarrer, Messdiener und Sargträgern, die ihren Weg Richtung ausgehobenes Grab aufnahmen.
Dorfbewohner rückten auf und eine fremde junge Frau, deren Gesichtszüge Melancholie und Mitgefühl ausdrückten, schloss sich dem Trauerzug an. Neugierig drängelte sich Nada, Tomislav's achtjährige Enkelin, vor. Sie wollte wissen, woher die Fremde kam und wieso ist sie dort war. Aber bevor sie fragen konnte, verschwand die Unbekannte mit dem roten Zopf urplötzlich aus ihrem Blickfeld. Nach ein paar Minuten entdeckte Nada sie jedoch wieder und jetzt baumelten in deren Händen ein Paar alte staubig braune Damenschuhe, sogenannte Schnürer, die das Aussehen verschrumpelter Kartoffeln hatten, sowie ein Paket gelblich verblichener Zeitungen und eine Salatgurke.

Nada beobachtete, wie die rote Zora, Nada hatte sie blitzschnell auf diesen Namen getauft, immer wieder schluckte und sie fragte sich, was die Frau mit diesen merkwürdigen Utensilien auf einem Friedhof zu suchen hatte. Blumen, so wusste Nada, Briefe, Ringe, all das legten Angehörige, Freunde oder Bekannte mit in ein Grab. Aber alte Schuhe? Alte Zeitungen. Eine Gurke? Nada fixierte die Frau mit dem roten Zopf noch neugieriger, beschloss, sie nicht aus den Augen zu lassen und wagte kaum, weiter zu denken.
Sie wird doch wohl nicht? Das Grab ist doch kein Mülleimer!
Nada zog ihren kleinen Faltenrock über ihre schmalen Hüften höher und stellte sich auf Zehenspitzen, um den Dorfpfarrer aus ihrer Reihe besser sehen zu können.
Die Träger hielten. Nickten dem Geistlichen zu, der über die schwarze Menge hinweg die Worte, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub emotionslos näselte. Der Sarg senkte sich in die Tiefe und als die ersten Blumen ins Grab fielen, wachte die Rote auf. Sie warf mit anfänglichem zögern den Packen Zeitungen, dann die Schuhe
und schließlich die Gurke auf den Sarg. Ein empörtes Raunen ging durch die Menge.
Sie aber drehte sich abrupt um, achtete weiterhin nicht auf die Trauerfeier und schlenderte an das andere Ende des Friedhofes. Setzte sich mit dem Rücken an eine Marmorgrabplatten und drehte sich über „Drago Kumicic“ eine Zigarette.

Nada wird sich noch Jahre später an diese merkwürdig wirkende Verabschiedung erinnern.
Während sich die Trauergesellschaft auflöste, vernahm man hier und da schon wieder ein verstecktes Lachen, aber auch immer lauter werdendes Gezeter der Frauen. Die Rote verstand nicht, was auf kroatisch geschimpft wurde und verstand es doch.

Von der Straße war ein altersschwacher Motor zu hören, in dessen Geruckel Nada jaulte:
„Ach lieber Deda, lieber Opa, ich will nicht heim laufen. Ich will mit euch faaahren.“

„Du gehst mit den Weibsleuten, Nada. Der alte Bozi und ich müssen reden. Männersachen. Basta!“

„Männersachen. Ja! Über Männersachen. Vom Matko, deinem Deda, und mir. Und der verdammten Ustascha,“ grummelte Bozidar zwischen den Lippen hervor und zog an der Filterlosen, die er zwischen Daumen und Zeigefinger quetschte.

jbs 2ooodreizehn

22
Mrz
2013

Zug des Lebens

Budapest-10-09-038
jbs

„Ein Journalist hat mich gefragt:
‘Überlebt Schlomo den Krieg,
der ja im Film noch nicht zu Ende ist?’
Am Anfang hat er mich mit seiner
Frage überrascht, doch dann habe
ich die Antwort gefunden. Ich
habe ihm gesagt: ‘Das hängt nicht
von mir ab, das hängt von Ihnen
und vom Publikum ab. Wenn Sie
Schlomo vergessen, stirbt er,
wenn sie ihn nie vergessen,
wird er nie sterben.”

(Radu Mihaileanu)

Klezmer meets Polka and Dance
http://www.youtube.com/watch?v=TIfbWqkK_AI

1941. In einem jüdischen Shtetl irgendwo in Rumänien, stürzt der Dorfnarr Schlomo (Lionel Abelanski) völlig aufgeregt auf den Marktplatz und berichtet, die deutschen Truppen würden sich nähern. Die Dorfältesten, darunter auch der Rabbi (Clément Harari), beraten, was zu tun sei – und es ist Schlomo, der eine außergewöhnliche Idee hat: Man solle sich einen Zug mit allem Drum und Dran besorgen, einen Teil der Dorfbewohner als deutsche Soldaten verkleiden, samt Offizier, den Zug mit Hakenkreuzen versehen und den Rest der Einwohner als Deportierte in die Wagons verfrachten. Der Zug solle dann Richtung russischer Grenze fahren, um von dort aus irgendwie nach Palästina zu kommen. Nach einigem Hin und Her beschließen die Ältesten, Schlomos Idee zu realisieren. Es wird Geld gesammelt, die Frauen kümmern sich um die Versorgung mit Lebensmitteln und allem, was für die Reise notwendig ist, die Ältesten und der Rabbi suchen Freiwillige, die deutsche Uniformen anziehen, finden aber zunächst niemanden. Man muss die geeigneten Personen auswählen. Mordechai (Rufus) wird als Offizier auserkoren.

Ein des Deutschen mächtiger Sprachwissenschaftler namens Schmecht (Johan Leysen) soll den „deutschen” Soldaten das Jiddische aus- und das „reine” Deutsche eintreiben. Die Schneider bitten die als Soldaten Auserkorenen, den Hitler-Gruß zu absolvieren, um die Ärmellänge der Uniformen exakt bestimmen zu können. Die Lokomotive, die sich in einem erbärmlichen Zustand befindet, wird restauriert, der erste Wagon für den „Offizier” ausstaffiert und ein eigens herbeigeholter Mann soll mit Hilfe eines Handbuchs über Lokomotiven den Zug in Bewegung setzen. Das ganze Dorf ist in heller Aufregung, Musik spielt, es wird gesungen, alles und alle wirbeln durcheinander, um die Abfahrt vorzubereiten.

Schließlich kann es losgehen. Der Zug setzt sich in Bewegung.

Man ist vorbereitet, so gut es geht – auch auf eine mögliche Begegnung mit deutschen Truppen, die dann auch tatsächlich stattfindet. Aber nicht nur die Deutschen sind ein Problem. Innerhalb der fahrenden Dorfgemeinschaft bildet sich, ausgehend von Jossi (Michel Muller), eine kommunistische Gruppe, die ständig versucht, neue Anhänger zu finden und zum anderen die Religion attackiert. Und was sie alle nicht wissen: Der Zug wird beobachtet – von Partisanen, die zunächst tatsächlich glauben, es handle sich um einen Deportations-Zug der SS. Als der Zug irgendwann Halt macht, beobachten die drei Partisanen, wie sich die Insassen zum Sabbat versammeln und die vermeintlichen deutschen Soldaten ebenfalls beten. Sie sind völlig verwirrt und melden dies ihrem Chef über Funk, der daraufhin befiehlt, den Einsatz abzubrechen.

Der Zug des Lebens fährt weiter ...


http://www.filmzentrale.com/rezis/zugdeslebensub.htm

Text: Ulrich Behrens

big crash II

Textsplitter II aus "Big Crash" ( Arbeitstitel )

Dr. Mehring war todmüde. Sein Feierabend lockte vor der Kühlerhaube. Endlich raus aus der Gerichtsmedizin, rein ins Auto. Nach Hause. Um diese Zeit am Morgen nickten ihm Nachtkerzen verschlafen vom Straßengraben aus zu und Spinnen, sonst immer listig auf der Lauer nach Beute, schliefen berauscht vom Herbsttau in ihren Netzen. Mehring sah das alles nicht. Zehn Stunden Nachtdienst in der Pathologie und nach langem wieder einmal ein Fall, der kniffelig war. Ein Endergebnis hatte er noch nicht diktieren können. Ihm war nicht klar, wie die Frau ihren Suizid hatte durchführen können. Im Keller, in einem Schrank mit geschlossener Tür, erhängt.

„Nicht natürlicher Tod“, das Kreuz neben dem 'nicht' prangte fett und bedeutungsvoll auf dem Leichenschauschein. Vielleicht hatte der Notarzt ihm damit auf der Todesbescheinigung eine Nachricht zukommen lassen wollen. So wie: Denk daran, was ein Rechtsmediziner übersieht, bleibt für immer unentdeckt. In Mehrings Kopf holperte es. Warum hatte sie sich im Schrank versteckt? Wieso auf diese Art? Weshalb im Haus, wo sie doch wissen müsste, welch einen Schock sie ihrem Mann versetzen würde, wenn er sie finden würde, wenn er nicht selbst …? Lauter W-Fragen!
Wieso? Weshalb? Warum? Wie lange? Wer?

Mehring blickte geradeaus auf die Autobahn, die ihm in der Frühe seltsam eng und leer vorkam.
Nunja, murmelte er müde, eine Lösung werde ich heute Früh nicht mehr finden. Ausgestorben, sind heute alle Berufspendler ausgestorben? Ja dann, Straßen frei für Mehring! Recht so, recht so!
Er drehte den Pegel seines neuen Autoradios auf 85 und zog mit dem Septembernebel die Bässe ein, die tief und vehement in den Basskeller des kleinen Apparates hineingriffen. Jetzt könnte die Heimfahrt doppelt so lang dauern, entzückte er sich, diese Errungenschaft hat sich gelohnt, auch wenn der Kredit höher ausgefallen war, als ihm lieb war. Aber, so hatte er es seiner Judith gesagt, aber! Irgendeine Schwäche müsse er doch haben dürfen. Wenn er sonst keine hätte.

Chee Yun spielte auf der Violine Oblivion. Mehring blinzelte. Oblivion von Astor Piazolla. Wie wunderbar! Jeden Ton kannte er. Während seines Medizinstudiums hatte er sie in sein Gehirn implantiert, nein, regelrecht einzementiert.
Schwer fielen seine Lider zu. Nur kurz. Und doch zu lang.
Judith hatte ihn immer wieder vor Sekundenschlaf gewarnt, gerade nach langen Arbeitsnächten sei die Gefahr für ihn ziemlich groß. Er hatte nur gelacht. Er arbeite nun schon so lange nachts, die Müdigkeit hätte er im Griff.

Sein Wagen schlenkerte. Erschrocken schlug er die Augen wieder auf. Schnell hatte er den neuen Citroen wieder im Griff und fuhr direkt auf eine Brücke zu. Sitzt da nicht jemand? Erneut blinzelte er. Jedoch war es zu dunkel, um Näheres zu erkennen. Er rieb sich die Augen. Da wird doch wohl niemand Steine werfen wollen? Das hatten wir doch erst kürzlich in der Zeitung stehen. Vier Zwanzigjährige auf dem Weg von der Disco nach Hause. Maren, die Tochter seines Kollegen saß mit in dem Unglückswagen, sie hatte ihm alles erzählt. Wie es passierte.

Dr. Mehrings Blick auf den Bordcomputer zeigte hundertvierundfünfzig Stundenkilometer an. Der Franzose lief prächtig! Er rieb erneut seine Augen. Und passierte die Brücke, eine von vielen auf der Strecke nach Hause.

Seine Gedanken waren bei Maren. Was hatte sie noch einmal erzählt? Sie wäre mit einem Mülli, einem Ingo und ihrer besten Freundin Susanne in der Heidedisco gewesen? Und auf der Rückfahrt, es fing schon an zu dämmern, rief Mülli, der den alten Kadett fuhr plötzlich:
Hickinnbotham!
Sag's nochmal, wollte Ingo hören.
Hick hick hick in botham!
Daraus kannste nen Rapp machen, Mülli, nen geilen Rap! Ingo grölte, er habe sich regelrecht in dieses Wort hineingesteigert.
Susanne hätte sich beide Ohren zugehalten, während Maren genervt aus dem Wagenfenster schaute.
Ich will in mein Bääättt! jaulte Susanne los. Aber niemand nahm sie ernst.
Ingo hielt plötzlich eine Flasche Vodka in der Hand. Willste noch nen Schluck? hätte er Mülli gefragt und ihm den Fusel vor das Gesicht gehalten.
Ich fahre, siehste doch! Biste schon so knülle, das du das nicht mehr blickst? Jetzt komm, zieh die Flasche wech. Wie soll ich da lenken?
Mülli hätte Ingo regelrecht angeblafft.
Und wie finnste den, Ingo ließ nicht locker: Hick in Botham – alles geht vorbei – nur der Wahnsinn bleibt, yeeeeeah! Hicks! Sorry, der gehörte nicht dazu. Also weiter, der Tod kommt – auf dich zu – und schon – kam es im Nu - .
Maren habe ihn angeschrien, aufzuhören, das sei doch nur blöd!
Ihre Stimmung war völlig gekippt. Gute Laune war gestern.
Das am Seitenfenster ein Maisfeld vorbeiflog und Heidschnucken in völliger Gelassenheit wiederkäuten nahm niemand im Wagen wahr. Eine Moorlandschaft neben der Strecke entlockte Susanne dann merkwürdigerweise doch ein: Guckt ma, Drostes Knabe im Moor! Aber niemand hörte zu. In dem Moment, als Maren sagen wollte, dass die Freunde beim nächsten Mal ohne sie in die Disco könnten, schrie Ingo wieder auf: Gugg ma, Mülli, bliggst de das? Sinn da nich zvei auffer Brücke? Ham die eddwa Steine inner Hand?

Mehring nahm sich vor, nach seinem Nachmittagsschlaf Maren anzurufen , um zu erfahren, wie es der Truppe gehen würde. Immerhin waren die vier mit ziemlich schweren Verletzungen nach dem Autocrash in die Klinik gekommen. Der oder die Steinewerfer waren noch nicht gefasst.

Dr. Mehring gähnte. Wo er wieder seine Gedanken hatte. Er sollte jetzt doch besser auf die Straße achten, noch dreißig Kilometer bis zur Kaffeetasse und seinem Bett. Er gähnte erneut. Seine Lider wurden schwer. Dann waren sie zu.
Sekundenlang.
Zu lang.
Plötzlich ein Schuss. Oder war es ein Knall? Auf jeden Fall war er schlagartig wieder wach. Nur war es zu spät. Der brandneue Citroen schlingerte heftig. Zu heftig. Zog an die Leitplanke, Mehring stieg voll auf die Bremse. Zu spät. Der Wagen kollidierte erneut mit der Schutzplanke und ein paar Meter weiter schien ein Reifen zu platzen. Bevor Mehring irgendetwas realisieren konnte, wurde alles um ihn herum schwarz.

Vorsichtig versuchte er seine Augen zu öffnen. Was ihm nicht ganz gelang. Blut klebte an Stirn und Wimpern. Verteilte sich langsam über sein Gesicht. Er spürte mit Zeige-und Mittelfinger den Orbitabögen nach.
Nichts gebrochen. Ein Glück,! Aber da! Was ist das? Mehrings Finger ertastete eine Platzwunde oberhalb der rechten Augenbraue. Aus dieser floss die klebrige Masse ununterbrochen.

Tupfer! Schere! Naht! Schnell! Dr. Mehring lachte zynisch. Ja, Schwester Marrii wäre jetzt sofort zur Stelle. So wie in der letzten Woche, als die Sanitäter eine Schwerverletzte von der Autobahn in die Klinik brachten. Unfall durch Steinewerfer. Seine Kollegen aus der Chirurgie waren wie immer unterbesetzt. Der Pförtner rief bei ihm an, ob er Kapazitäten frei hätte, eine Frau wäre eingeliefert worden, vierunddreißig Jahre alt, schwere Schnittverletzungen im Oberarmbereich und ein Pneumothorax links. Müsse sofort in den OP. Schwester Marrii stand schon steril am Tisch, sie hätte sicher gerne selbst genäht, fragte dann aber nur: Resolon oder Supramid Extra?

Wieso ihm dies jetzt nur alles einfiel, fragte er sich und versuchte mit der anderen Hand an seine Hosentasche zu kommen. Irgendwie muss ich doch ans Taschentuch kommen, fluchte er. Es ging nicht. Mit verschleiertem Blick stellte fest, das die Seitentür den linken Arm eingequetscht hatte und der geöffnete Airbag drückte ihm fast die Luft ab. Für einen kleinen Moment kamen ihm Zweifel auf, ob sich das alles in seiner Realität abspielen würde oder ob er in einem schlechten Film mitspielte.
Aus der Entfernung war ein Martinshorn zu hören. Rettung! Wieder schloss Mehring seine Augen. Und bevor bei ihm alles erneut dunkel wurde, schlüpfte ein letzter Akkord Oblivion in sein Ohr.


jbs 2ooodreizehn

15
Mrz
2013

big crash

Textsplitter aus "Big Crash" ( Arbeitstitel )

Sie wartete.
Und sie saß.
Nein, sie balancierte. Sie balancierte ihr Gesäß auf einem Brückengeländer aus und ihre langen dünnen Beine, die in stonewashed Jeans steckten und in roten Chucks endeten, kippelten hin und her, wie beim Pedalspiel an der Orgel. Dazu entfaltete sich unter ihr ein Klangraum ganz eigenwilliger Art. Einsetzender Berufsverkehr rauschte in auf- und abschwellenden Tönen vorbei. Manche Autos gaben Lichtsignale.
An.
Aus.
An.
Aus.
Erst verhaltend. Dann fordernd. Warnend. Durch die Windschutzscheiben blickten unsichere Gesichter zu ihr hinauf. Wirft sie oder wirft sie nicht?

Luise hätte ihnen gerne die Zunge raus gestreckt. Vor Freude.
Weil seine SMS noch ganz warm in ihrer Jackentasche lag.
Aber zu dem Zeitpunkt war das völlig unmöglich. Ihre Zunge war mit etwas ganz anderem beschäftigt. Die Wartezeit wuchs in eine Blase hinein. Wuchs und wuchs. Weiß-nebelig stieg der Ballon auf, über Lippen und Nase. Nur noch wenige Atemzüge passten in den Hohlraum. Vorsichtig, sehr vorsichtig, damit es nicht zum vorzeitigen Bersten kam, presste sie kühle Morgenluft in die fragile Materie.

Plötzlich ein Knall. In Bruchteilen von Sekunden breitete sich der neue Ton wellenartig aus. Schnellte über die Autobahn, in die angrenzenden Maisfelder, tänzelte über deren Fahnen, schwang sich über Stacheldrahtzäune und ließ sich vom Horizont verschlucken.
Luise fiel.
Nicht weit.
Nicht tief.


jbs 2ooodreizehn

13
Mrz
2013

im sessel

pausenlyrik

im sessel

irgendwann.
im laufe der tage,
wenn letzte Zigaretten glimmen
und rote laternen feurig zucken,
zerfranste farne am mauerrand
zum angelus zittern,
treibt spät aufkommender wind
entferntes lachen an dein ohr
und
tiefer sinkst du
in weiche mulde.

parfümiertes leder goutiert,
im laufe der tage,
vergilbte fahrpläne,
die zwischen deinen fingern
zu bröseln zerfallen,
während
charon geduldig wartet.

aber noch,
noch schläft sein obolus
und du,
du malst schattenspiele
an die wand.


jbs 2ooodreizehn

12
Mrz
2013

haiku 64

haiku 64

seidenweicher laut
in mittäglicher stille
sonnenstrahlknistern


jbs 2000dreizehn

11
Mrz
2013

haiku 63

haiku 63

frühlingsabendblau
eine kleine fledermaus
pfeilt blitzschnell vorbei


jbs 2ooodreizehn
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lou salome

"Vielleicht war vor den Lippen schon das Flüstern da und ohne Bäume tanzte schon das Laub."Ossip Emiljewitsch Mandelstam

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