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8
Jan
2011

Insel der Elefanten

Toeroek
Insel der Elefanten von Imre Török, 2010

„Das Leben verstehen heißt, rückwärtig Betrachtungen vorzunehmen, das Leben aber zu leben heißt, nach vorne zu sehen.“ Sören Kierkegaard

Valentin, ein aus Ungarn stammender fünfzigjähriger Journalist ist die tragische Hauptperson des Romans „ Insel der Elefanten“ von Imre Török.

Inhalt
Seit seiner Jugend lebt Valentin in Deutschland, genauso wie Ilona Arany, seine ehemalige Geliebte. Beide verbindet immer noch ein tiefes Band der Freundschaft und so wundert es nicht, dass Valentin, als er sich in einer großen Sinnkrise befindet, Ilona's Einladung dankend annimmt, um mit ihr auf einer sonnigen Insel ein paar Wochen zu verbringen. Auch Ilona verspricht sich von der gemeinsamen Zeit Klärung ihrer Gefühle der einst so großen Liebe.
Und dann wird der Urlaub für beide eine große Bewährungsprobe. Valentin's häufiger Alkoholkonsum, seine wütenden Ausfälle oder seine noch immer erotische Ausstrahlung, die sie eifersüchtig macht, trüben die Stimmung. Er entrückt immer mehr der Gegenwart, weil er vor seinem geistigen Auge den sterbenden Vater, den alten András von Szendrö, sieht, der allerdings schon seit zwanzig Jahren tot ist.

Es war an einem späten Nachmittag im Herbst. Die Sonne schien schräg an die weiße Wand hinter seinem Bett. Und als mein Papa tot war, sah ich in dem Streifen des Sonnenlichts die Elefanten wandern. Sie einfach davon wandern.“

Valentin erlebt immer öfters Visionen von wandernden Elefanten. Für Ilona ist es anfangs keine Frage, diese, wie sie denkt, Halluzinationen, werden nur durch die täglich großen Mengen Whisky ausgelöst, die er schluckt. Nach langen und tiefen Gesprächen mit Ilona ist Valentin endlich bereit, die Geschichte seines Vaters aufzuschreiben und Erinnerungen festzuhalten.

Jetzt zeigt es sich, welch ein genialer Erzähler der Autor Imre Török ist.
Mit kleinen Rückblenden auf die Geschichte Ungarns, die durch Valentin's Vater und Großvater lebendig gemacht wird, sucht Török nach der Vergangenheit seines Heimatlandes. András von Szendrö, dessen große Liebe zur Marie und das Erwachsen werden von Balint, wie Valentin in Ungarn genannt wird, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Zeit der ersten Häfte des 20. Jahrhunderts. Als kleiner Junge lässt Balint sich die Geschichte der Elefanten von seinem Vater erzählen:

„Weißt du, mein kleiner Bálint, die Elefantenjagd im Dschungel ist nämlich ein höchst gefährliches Unterfangen. ... Dort, schau, dort bauen die Eingeborenen mit Bambusstämmen die gewaltige Elefantenfalle, in welche die Tiere getrieben werden. Die weiträumige Umzäunung, diese Bambuspalisade, wird das erste Gefängnis der Tiere werden. Es beginnt die Treibjagd. ... Also, die Elefanten rennen durch das Tor. Und sitzen dann für immer in der Falle. ... Die Elefanten, die mit der Zeit zahm werden, obwohl sie eigentlich auch nur so tun, die werden vom Deck geführt. Und dann kommen sie in den Zoo und es geht ihnen gut. Manchmal träumen sie von Ceylon. Oder von Indien. Aber zurück können sie nie wieder. Nur in ihren Träumen.“

Und weitere Erinnerungssplitter fügen sich auf Valentin's Laptop zu einer Lebensgeschichte zusammen:
András, in jungen Jahren, von seinem Vater fast an den Onkel verkauft; András studiert und wird Diplomat. Von seiner große Liebe zu Marie, diese aber nicht heiraten darf, weil sie nicht seinem gesellschaftlichen Stand entspricht. Weiter geht das Leben von András in Berlin, wo er als ungarischer Diplomat die entsetzliche NS-Zeit und Hitler's Größenwahn erlebt. 1939, an seinem dreißigstem Geburtstag, erreicht ihn die Nachricht vom Tod seiner Marie. Verzweifelt will András nicht mehr weiterleben. Trotzdem macht er sich auf den Weg zu einem sogenannten „Arbeitslager“, um einen verschleppten ungarischen Landsmann zu retten. Aber vor den vom Vernichtungswahn gesteuerten Gehirnen kann ein kleiner ungarischer Diplomat nichts ausrichten. Wie das Schicksal es will, András lernt in dem Lager seine zukünftige Ehefrau, die Mutter von Valentin, kennen. Sophie de la Bendola. Sie war mit dem Weimarer Staatstheater angereist, um im Lager für Unterhaltung zu sorgen. András verliebt sich auf der Stelle in diese Frau und wird sie später heimlich in Ungarn heiraten.
Die stalinistische Diktatur greift mit kalter Zange nach Ungarn. Nicht nur die materiellen Besitztümer, auch die Adelstitel werden András und seinen Landsleuten genommen. Gefängnis und Folter muss Valentins Vater ertragen, bevor er mit seiner kleinen Familie nach Deutschland emigrieren wird.

Imre Török ist in seinem Element. Er hält dem Leser ein Kaleidoskop vor Augen. Es sind immer wieder die gleichen Farben, die auftauchen, aber immer in einem anderen Muster. Es dreht sich weiter und weiter und der Leser versteht immer mehr die seelische Zerissenheit von Valentin. Die innige Liebe zu seinem Vater, die große Liebe zu Ilona, die trotz Trennung nie aufgehört hat und seine Suche nach einem festen Platz im Leben.

Den Höhepunkt erreicht der Roman, als Valentin für Tage verschwindet und Ilona nicht weiß, wo er sich aufhält. Valentin hat die direkte Nähe zum Wasser gesucht, denn er „ ... mag es, im Licht zu baden und der Sonne hinterher zu sinken.“ Er spürt, wie langsam seine alte Energie zurückkehrt.
Unfreiwillig freiwillig wird er am Strand Zeuge einer heftigen Liebesgeschichte. Brachiale Eifersucht des gehörnten Partners trifft auf Valentin, der mit dieser Liason überhaupt nichts zu tun hat. Mit einer ungewollten Wende in Valentin's Leben endet der Roman.


Interpretationsgedanken

Ein Schriftsteller wie Imre Török gehört zu den Personen, die sich verantwortlich fühlen, unseren Blick zu schärfen. Zu schärfen und zu sensibilisieren für unser kollektives Gedächtnis.
Sie halten Dinge fest, an die sich die nachfolgenden Generationen erinnern sollen oder wollen. Und sein Roman „Insel der Elefanten“ ist ein kulturelles Gedächtnis geworden, mit sozusagen konservierten Erinnerungen.

Nicht nur die Elefanten sondern ganz besonders das Wasser spielt eine große Rolle in dem Buch.
Mit dem Besuch auf den „Mont Sainte Odile“ im Elsass und zu der Schutzheiligen der Blinden zur „Heiligen Odilia“ könnte man beginnen.
Am Odilienberg entspringt eine Quelle, mit deren Wasser Blinde einer Legende nach wieder sehend werden. Auch Valentin schlürfte aus der Gebirgsquelle und erklärte: „... vielleicht heilt mich dieses Wasser von meinem Irrtum, kein Blinder zu sein.“

Und bevor die Elefanten und Schmetterlinge in Töröks Roman ihren Einsatz bekommen, kommt der Philosoph Thales zu Wort, denn auf seinen Überlegungen basierend besteht alles aus Wasser. Thales war überzeugt, dass es nicht auf das Sichtbare in der Welt ankommt, sondern auf das, was im Inneren wohnt, also im Grunde auf das Unsichtbare, welches jedoch das Sichtbare erst zu dem macht, was es an sich ist.

Das Innere gibt sich in dem Roman über die Elefanten und das Elefantenauge zu erkennen. U.a. erklärt Valentin:
„Von wegen symbolisch! Diese Elefanten, die mächtigen Langsamen wie die stolpernden Kleinen, diese ganze lange Reihe von Dickhäutern mit wedelnden Ohren waren quicklebendig. Abschnitte von Vaters Leben, eine Rückschau an Leiden und Lieben. Verinnerlichtes, das mit Elefant für Elefant aus seinem Körper trat und ihn verließ.“
In der hinduistischen Mythologie sind Elefanten eng mit Wolken verbunden und deshalb auch mit dem Regen. Dies heißt wiederrum, dass sie Symbole des Wassers und des Lebens sind. Und sie stehen zudem als Symbol für Gedächtnis und Erinnerung.

Der „pillangó“. Der Schmetterling. Dieser kleine, aus Flüchtig-und Zerbrechlichkeit bestehende Falter, dessen Flug wohl stets ein Kontinuum ist, das aus augenblicklichen Elementen der Fortsetzungen besteht.
Die Metamorphose. Griechische Philosophen sahen in dem Schmetterling die Erscheinungsform der menschlichen Seele und zugleich ein Bild für Unsterblichkeit. Er taucht immer wieder neben den Elefanten auf und begleitet den Leser bis zum Ende des Romans.

Mit einem mächtigen Handstreich gelingt dem Autor Török das Bewahren von namhaften Schriftstellern, Freiheitshelden und Dichtern. Der Größte unter ihnen aus der Neuzeit ist sicherlich Imré Kertész, der Literaturnobelpreisträger von 2002. Sein „Kaddisch für ein ungeborenes Kind“ ist auf Seite 132 verewigt. Mit seinem Zitat: „ Die Welt besteht aus Scherben, die auseinanderfallen, sie ist ein dunkles, zusammenhangloses Chaos, allein vom Schreiben zusammengehalten.“ (Seite 131) steht er seinen Mitstreitern bedingungslos zur Seite.
Imre Török scheut sich nicht, alle die aufzuzählen, die nicht in Vergessenheit geraten sollen. Sei es Goethe, Schiller oder Hölderlin, Tabucchi, Esterházy, Petöfi, Jókai oder Kossuth. Um nur einige von ihnen zu nennen.


Fazit
Imre Török erbringt auf 399 Seiten den poetischen Beweis dafür, dass Wissensvermittlung, Philosophie und Phantasie auf gemeinsamen Flügeln durch Vergangenheit und Gegenwart gleiten können.
Manchem Leser oder mancher Leserin könnte die Fülle an Informationen, die so nebenbei einfliesst, zuviel erscheinen. Andererseits kann dies die Chance sein „...das die Geschichte nicht das Gedächtnis belastet, sondern den Verstand erleichtert.“ ( frei nach Lessing).

„Insel der Elefanten“ ist ein sehr reicher Roman, den ich jedem empfehlen kann, der im Zeitalter der Abrufbarkeit von Fakten, Daten und Wissen per Knopfdruck sich in eine Welt zurückziehen möchte, die aus Erinnerungen besteht.
Mit Sören Kierkegaard's Zitat vom Anfang beende ich meinen Leseeindruck:

„Das Leben verstehen heißt, rückwärtig Betrachtungen vorzunehmen, das Leben aber zu leben heißt, nach vorne zu sehen.“

Zitate aus dem Buch oder Sekundärliteratur erscheinen in kursiver Schrift.

„Insel der Elefanten“ von Imre Török
http://www.amazon.de/Insel-Elefanten-Imre-T%C3%B6r%C3%B6k/dp/3937139915

http://de.wikipedia.org/wiki/Kollektives_Ged%C3%A4chtnis

http://www.anderegg-web.ch/phil/thales.htm

http://www.ungarische-literatur.eu/zeitgenoessische_literatur.html#Toeroek

http://www.unesco.de/2730.html

1
Jan
2011

Das Nichts

Erich Mühsam

Das Nichts

Ich sah durch ein hohes, großes Loch.
Ist nichts darin? - Doch! scholl es. - Doch!
Und ich suchte und suchte und grub nach dem Nichts. -
Da quoll aus dem Loch eine Garbe Lichts. -
Ich habe das Nichts gefunden, -
Und mir um die Stirn gewunden.
1904

Korsika-5-028
Trou de la Bombe 2009

Bin angekommen. Im neuen Jahr.
Und wünsche allen Lesern ein zufriedenes gesundes Jahr 2011!

In den letzten Tagen habe ich das Buch "Insel der Elefanten" von Imre Török gelesen. Es hat mir sehr gut gefallen. Ich hoffe, in den nächsten Tagen eine kleine Rezension hier veröffentlichen zu können. Hoffen deshalb, weil im beruflichen wie im privaten Alltag ständig etwas anderes dazwischenkommt.

Ein "Pillangó" begegnete mir im Buch. Es ist das ungarische Wort für Schmetterling.
Der Autor I. Török spannt einen philosophischen Bogen vom Schmetterlingsflug zu dahin gehenden Elefanten. Szenen wie diese tauchen immer wieder auf, sie erzählen die Geschichte einer Sinnsuche.
Und so (fast) ganz nebenbei durchlebt der Leser die ungarische Geschichte.

Mainau-mit-Doro-2010-028
2010

23
Dez
2010

Es gibt zwar viele Welten, viele Sonnen-aber wir haben nur diese eine Erde

Es gibt zwar viele Welten, viele Sonnen - aber wir haben nur diese eine Erde.

Ganz besonders meinen treuen BlogleserInnen, ob sichtbar oder unsichtbar, wünsche ich von Herzen eine friedliche Weihnachtszeit und für das kommende neue Jahr 2ooozwölf Vitalität sowie gute Freunde und Menschen, die begleitend durch das Leben ziehen.
Ich freue mich auf ein neues lou-salome-Blogjahr.



Seit den letzten Weihnachtsfesten hat sich nichts verändert, was Musik und Lyrik dazu anbelangt. Deshalb poste ich heute erneut "Brother in Arms".

Weihnachten-2008-053

Mark Knopfler – Brothers in arms

Diese nebelverhangenen Berge sind jetzt mein Zuhause.
Aber meine Heimat ist da unten,
im flachen Land – dort wird immer meine Heimat bleiben.
Irgendwann werdet ihr zurückkehren,
in eure Täler und auf eure Höfe,
und werdet nicht mehr darauf brennen,
Waffenbrüder zu sein.

Ich habe euer Leid gesehen,
hier, auf den Schlachtfeldern
habe ich eure Feuertaufe erlebt.
Und als die Schlacht heftiger wurde,
als ich schwer verwundet wurde,
in all diesem Schrecken und in der Gefahr
seid ihr mir beigestanden.
Ihr, meine Waffenbrüder.

Es gibt zwar viele Welten, viele Sonnen -
aber wir haben nur diese eine Erde.
Und doch ist es so, als lebten wir
in verschiedenen Welten.

Die Sonne ist zur Hölle gefahren,
und der Mond steigt auf.
Lasst mich Euch Lebewohl sagen.
Jeder Mensch muss sterben.
Aber es steht in den Sternen geschrieben,
und in jeder Linie in euren Handflächen:
Wir sind Narren, wenn wir Krieg führen
gegen unsere Brüder.

http://www.youtube.com/watch?v=9XVVZPefbR4

6
Dez
2010

Zur falschen Zeit

„Zur falschen Zeit“ ist ein Roman des Schriftstellers Alain Claude Sulzer.
Es erschien 2010 im Galiani Verlag Berlin und erzählt auf 229 Seiten die vielschichtige und komplexe Geschichte einer Vatersuche, des Erwachsen werdens, um Homosexualität und um Normalität.

Sulzer

Ein 17-jähriger junger Erwachsener begibt sich auf Spurensuche, um Informationen über seinen früh verstorbenen Vater zu bekommen, die er von seiner Mutter nicht erhält. Ein Photo des Vaters, das seit siebzehn Jahren unbeachtet im Bücherregal steht, weckt die Aufmerksamkeit des Jungen. Auf der Rückseite dieses Portraits entdeckt er den Stempel eines Fotografen aus Paris. Und zu diesem macht er sich heimlich auf den Weg, um in Erfahrung zu bringen, was mit seinem Vater damals geschah.
In Paris angekommen, sucht der Sohn den ehemaligen Freund seines Vaters auf. Es ist der Fotograf, der ihm auch weiterhelfen wird. Zuerst gibt er dem Sohn die Armbanduhr zurück, die dieser auf dem Bild seines Vaters entdeckt hatte. Einen Tag später lässt er ihm alte Postkarten zukommen, die der Vater Emil seinem Freund aus einer Nervenklinik geschrieben hatte.
Der Leser erahnt langsam, dass die kurze Lebensgeschichte des Vaters über eine Liebe erzählt, die damals ( in dem Roman werden die 50iger Jahre in der Schweiz beschrieben) so nicht gelebt werden konnte.
Der Wunsch, eine bürgerliche Existenz als Lehrer und als verheirater Ehemann, zu leben, erfüllt sich nur kurz. Emil lernt an der Schule, an der er unterrichtet, einen Lehramtskandidaten, einen sogenannten Seminaristen, kennen und lieben. Und ab diesem Zeitpunkt stellt er für sich fest: „ ... er hatte sich in die falsche Richtung begeben, als er den richtigen Weg einschlug “.

Engstirnigkeit und Intoleranz der Gesellschaft werden zu seinem Verhängnis. Sulzer entfaltet mit „großer Dezenz und dennoch mit der Wucht einer griechischen Tragödie in seinem Roman die Geschichte eines Mannes, der an sich selbst und an den Zeitumständen, in denen er lebt, scheitert.“ ( siehe Klappentext)

Alain Claude Sulzer ist es erneut gelungen ( nach „Privatstunden“), ein wunderbares Buch über eine unstatthafte Liebe zu schreiben. Der Titel des Romans „ Zur falschen Zeit“ trifft den Kern der Erzählung genau.
Der Schluß ist vergleichbar mit dem 4. Akt der Oper „Andrea Chénier“ von Umberto Giordano. Emil und Sebastian hörten Auszüge aus dieser Oper, als sie ihrem Leben ein Ende setzten.

„Im Gefängnis von St. Lazarre verbringt Chénier seine letzten Stunden, wo er seinem Freund Roucher seine letzten Verse vorträgt. Madeleine fasst derweil den Entschluss, mit dem Mann, den sie liebt, zu sterben. Sie besticht den Gefängniswärter und besteigt an Stelle einer verurteilten Deliquentin zusammen mit Chénier den Karren, der sie zum Schafott bringt. Die beiden Liebenden sind glücklich, gemeinsam in den Tod zu gehen. Gérard versucht, eine Begnadigung zu erwirken, doch es ist zu spät. Madeleine und Andrea sind im Tode vereint.“
(aus Wikipedia)

jbs

Andrea Chénier: Del Monaco
http://www.youtube.com/watch?v=FUZaAOK6ggg

6.12.2010: Kleine Textkorrektur im Schlußsatz.
Erneuter Nachtrag: Da sich im Internet schon einige sehr gute Buchbesprechungen und Rezensionen zum obigen Roman finden lassen, habe ich sehr sparsam ausgeführt.

2
Dez
2010

haiku 52

Winterstimmung-am-Ploener-See-Nov-2010
Aufnahme: BJ

haiku 52

die welt löst sich auf
hinter seebrücken aus eis
zieht zimt im glühwein

jbs

25
Nov
2010

In einer erdfernen Welt

„In einer erdfernen Welt“ von Hans Zengeler

EW
erschienen im Shaker Verlag 2010, 164 Seiten, 14,00 EUR

„Das Leben ist ein Theaterstück ohne vorherige Probe.
Darum singe, lache, tanze und liebe ...
Und lebe jeden einzelnen Augenblick deines Lebens,
bevor der Vorhang fällt und das Theaterstück ohne Applaus zu Ende geht.“

Charlie Chaplin, 1889 – 1977



Der Schriftsteller Hans Zengeler hat für seinen neuen Roman in Berichtform „In einer erdfernen Welt“ einen Stoff gefunden, der brandaktuell ist und sehr eindringlich die Landschaft der Verzweifelung, die Unsicherheit angesichts des Todes, die Einsamkeit, menschliches Versagen und das Altwerden in einem Alten- und Pflegeheim sichtbar macht.

Und von diesem Lebensstoff muss erzählt werden.
Von der letzten Rolle.
Der letzten Rolle des Schauspielers Moritz Sonderberg, die er sich ganz anders vorgestellt hatte.
Nach einem Schlaganfall und keiner günstigen Prognose findet er sich plötzlich auf einer Demenzstation eines Alten-und Pflegeheimes wieder. Kein Wunder also, wenn er auf Seite 46 feststellt: „Wäre schön, wenn man hier tatsächlich noch eine Rolle spielte, leider sind einem aber bei Eintritt sämtliche Textbücher abgenommen, sie verstehen?“
Und er fängt an, „sich durch die Zeit zu atmen“. Frühlingsdüfte oder die geliebte Bühnenluft muss er „gegen Altersgerüche und den Geruch des Zerfalls“ eintauschen.
Sich nicht unterkriegen lassen, von nichts und niemanden, das wird Sonderbergs Devise.
'Und lebe jeden einzelnen Augenblick deines Lebens' mag hier zynisch wirken, aber Sonderberg, der Sonderberg, wie er immer von Theaterleuten und Presse genannt wurde“, nimmt nach schwerer Anfangszeit seinen Stift und Papier, fängt an zu schreiben. Gerade um Leben zu spüren, dort wo er auf den Tod wartet. Vielleicht wird er das aufgezwungene Leben als Theaterstück verarbeiten und die achtundzwanzig Bewohner und Bewohnerinnen seiner Station übernehmen dabei eine Statistenrolle.

Mit Frau Strittmatter und Herrn Wagenseil, zwei seiner Statisten, skizziert Moritz Sonderberg völlig gegensätzliche Mitbewohner. Herr Wagenseil hat seine Lebenswelt über die Ränder der bekannten Welt verlassen, ist hinaus- und hineingefallen über einen gelben Fleck an der Wand, in ein Jenseitiges, in eine Wirklichkeit, die man nicht zu fassen vermag. Er sitzt tagaus und tagein in seinem Rollstuhl und starrt auf diesen ominösen Fleck.
Die gegensätzliche Rolle übernimmt Frau Strittmatter. Ihre Agitiertheit, Redseligkeit, Streitsüchtigkeit aber auch Schlagfertigkeit, obwohl sie wegen ihrer Demenz oft im Unrecht ist, gibt der Szene eine fast frische Lebendigkeit.
Und immer wieder unternimmt Moritz Sonderberg eine Reise in seine Vergangenheit. Er lässt Bilder Revue passieren und stellt dabei verbittert fest: „ Du hast so gelebt, dass du jetzt allein bist. Im Alter bekommt man die Rechnung präsentiert ...
... Du hast geglaubt, niemanden zu brauchen, niemals. Geschieden, kinderlos, keine ausgesprochenen Freunde, Kollegen ja, aber keine Freunde. Du hast immer für dich und die Bühne gelebt und gedacht, das Ende werde dich hoffentlich auf der selbigen ereilen, mitten im Spiel.“


Erneut nimmt Sonderberg einen Anlauf, um aus dem Pflegeheim in seine Wohnung zurückzukommen. Er schreibt seiner geschiedenen Ehefrau. Er stellt sich vor, wie es sei, wenn er mit ihr im Park spazieren gehen könnte. Und dann würde er sie bitten, ihn mitzunehmen: „Nimm mich mit. Nimm mich um Gottes Willen mit. Egal wohin. Nur weg.“
Ein Hilferuf, ein Schrei, den erneut niemand hört.

Und wieder wird er schreiben, der Schauspieler, um nicht zu fallen, um keine Depressionen zu bekommen.
Beobachten. Festhalten. Messerscharf gestochene Bilder.
Zum Beispiel das Verhalten des Personals gegenüber den Bewohnern. Ihre Zeitnot. Ihren Personalmangel. Ihr Verhalten im Berufsalltag gegenüber den BewohnerInnen.
Oder Erinnerungen an seine Mutter, die ihn, mehr als ihm lieb ist, einholen.
Sein Berufsleben spult sich vor seinem inneren Auge ab und er hat die Zeit, um gewissenhaft zu dokumentieren.

Dann kommt der Tag, an dem sich nochmals alles verändert.
Er lernt die etwas ältere Lisbeth kennen. Während sie im Park strickend auf einer Bank sitzt, erzählt er ihr von seinem Leben als Schauspieler. Lisbeth hört ihm aufmerksam zu, bis sie an der Reihe ist, aus ihrem Leben zu berichten. Diese Treffen erfolgen nun Tag um Tag und bei Sonderberg flackert ein Licht auf. Es ist eine Wärme, die ihm seit Monaten, ja vielleicht seit Jahren gefehlt hat. „ Ich bin sicher: Ich habe mich verliebt. Und ich schäme mich überhaupt nicht, ich genieße es!“„Weil ich nun jeden Tag etwas habe, worauf ich mich freuen kann. Ich stehe morgens auf und weiß, am Nachmittag werde ich Lisbeth treffen.“

Moritz Sonderbergs Sicht auf die Zeit und das Alter hat sich durch Lisbeth plötzlich verändert. Es ist nicht mehr der jugendliche Aufstieg auf einen hohen Berg, sondern eine Höhenlandschaft voller Überraschungen und Wendungen. Und er läuft vor der Verantwortung nicht mehr davon. Trotz seiner Krankheit unternimmt er Zukunftsträume, baut Luftschlösser, um mit Lisbeth eine Wohnung zu suchen, ins Theater zu gehen, zu lesen und zu leben.

Das Buch von Don Quichote und ein von Lisbeth selbst gestrickter Pullover liegen eines Tages in seinen Händen und wieder wird eine Wendung sein Leben verändern.

Dem Autor Hans Zengeler ist etwas ganz Besonderes gelungen. Ungeschönt beschreibt er in einem aussergewöhnlichen Roman die Innen-und Außenwelt eines Mannes, der vor der langsamen Auslöschung seiner Identität steht. Bis an die Grenzen des Erträglichen geht der Schriftsteller mit dieser literarischen Studie.
Technisch benutzt Zengeler die Gestaltungsmittel des Films und des Theaters. Es gibt eine Aufblende, eine Abblende und einen Vorhang, der zum Schluß fällt. Und dazwischen spielt sich das Leben von Moritz Sonderberg ab, das auf den Endpunkt zu läuft.


Jeder altert. Und den allermeisten gefällt das überhaupt nicht. Dieses Buch zeigt auf, dass die Jugend kein Zustand auf Dauer ist. Unser Leben ist endlich. Dieser Gedanke wird zu gern verdrängt.
Tucholsky stellte fest: „Und Junge begreifen nie, dass sie alt werden können.“

Der Roman „In einer erdfernen Welt“ in Berichtform ist nicht nur ein Lesemuss für Menschen, die das Leben als eine fortlaufende Entwicklung erkennen wollen.
Es sollte auch ein absolutes Muss für alle pflegenden Berufe sein, um Sensibilität herauszufordern, die für ein Arbeiten mit alten und kranken Menschen absolut notwenig ist.
Zengeler hat mit Moritz Sonderberg einen unglaublich sympathischen Helden geschaffen. Er gibt ihm eine Stimme, die ergreifend vom Leben in einer Lebensverwahranstalt erzählt und die Würde des Menschen eindringlich verteidigt.

„... Darum singe, lache, tanze und liebe ...
Und lebe jeden einzelnen Augenblick deines Lebens,
bevor der Vorhang fällt und das Theaterstück ohne Applaus zu Ende geht.“

jbs

25.Novemer 2010

Die kursiv beschriebenen Textstellen sind Zitate aus dem Buch.

Trailer zum Buch " In einer erdfernen Welt"

http://www.youtube.com/watch?v=gtV13ciBxNI

Link zum Shaker-Media-Verlag
http://www.shaker-media.de/de/content/bookshop/index.asp?ISBN=978-3-86858-442-4&ID=2

Homepage des Autors: http://www.zengeler.de

19
Nov
2010

Im Blau deiner blauen Augen

IMG_2222
Blick auf Nordstrand, 2010

Volare, oh, oh! Cantare, oh, oh, oh, oh!

http://www.youtube.com/watch?v=X7t8mTKlbMY
( Ein viel zu kurzes Video, schade )

Ich denke, dass solch ein Traum nie zurückkehren wird
Ich malte mir die Hände und das Gesicht blau
Dann wurde ich plötzlich vom Wind mitgerissen
Und ich begann, in den unendlichen Himmel zu fliegen

Fliegen, oh oh ...
Singen, oh,oh,oh...
In blau gemaltes Blau
Froh, dort oben zu sein

Und ich flog, flog glücklich
Höher als die Sonne und sogar noch höher
Während die Welt langsam verschwand, weit unter mir
Spielte eine sanfte Musik nur für mich

Fliegen, oh, oh, ...
Singen, oh, oh, ...
In blau gemaltes Blau
Froh, froh dort oben zu sein

Aber alle Träume verblassten im Morgengrauen, denn
Während des Sonnenunterganges nimmt der Mond sie mit sich fort
Aber ich träume weiter in deinen schönen Augen
Die so blau sind wie ein sternerfüllter Himmel

Fliegen, oh, oh, ...
Singen, oh, oh, ...
Im Blau deiner blauen Augen
Froh, froh dort unten zu sein

Und ich fliege fröhlich weiter
Höher als die Sonne und sogar noch höher
Während die Welt langsam in deinen blauen Augen verschwindet
Deine Stimme ist eine sanfte Musik, die für mich klingt

Fliegen, oh, oh, ...
Singen, oh, oh, ...
Im Blau deiner blauen Augen
Froh, froh dort unten zu sein

Im Blau deiner blauen Augen
Froh, hier unten zu sein

Quelle: http://lyrics.wikia.com/lyrics

13
Nov
2010

haiku 51

haiku

romantische zeit
schimmelgespann statt landhai
bis der regen fällt

jbs

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"Vielleicht war vor den Lippen schon das Flüstern da und ohne Bäume tanzte schon das Laub."Ossip Emiljewitsch Mandelstam

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